DIE BISHERIGEN PARADIGMEN DER WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT
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  Summary O Der Frühliberalismus | für Eilige
 
 
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  Wie ethische Gefühle verfälscht werden und wie sie dennoch nützlich sein können
  Die Verfälschung der ethischen Gefühle durch die Bewunderung des Reichtums
       
 
Nichts ist für diejenigen, welche gewöhnt sind, menschliche Angelegenheiten mit den Augen der Philosophen zu betrachten, überraschender, als die Leichtigkeit, mit welcher so viele sich von so wenigen regieren lassen, und als die blinde Unterwerfung, mit welcher die Menschen ihre eigenen Gefühle und Leidenschaften denen der Regierenden unterordnen.
 
    David Humegroßer schottischer Philosoph, Historiker und Ökonom    
       
 
Wenn die Führer die Macht verloren haben, weshalb ist sie nicht in die Hände der Geführten gelangt?
 
    David Riesmanbekannter US-amerikanischer Soziologe und Erziehungswissenschaftler    

Was die Worte „moralisch“ und „Moral“ bedeuten, darüber gibt es in der Ethik große Meinungsunterschiede. Ebenso wenig ist man sich einig, woher die Moral stammt. Wir haben schon etwas über zwei wichtige Auffassungen gesagt, über die rationalistische und über die sensualistische. Adam Smith hat sich in seiner Ethik eindeutig für die sensualistische, besser gesagt sensualistisch-empirische Auffassung von Moral entschieden und das moralische Verhalten auf Gefühle zurückgeführt. Das bedeutet natürlich nicht, dass jedes Gefühl schon an sich etwas Moralisches in sich hat, dass es sich als ein ethisches Gefühl betrachten lässt. Was wir fühlen kann ethisch betrachtet durchaus neutral sein - muss also weder moralisch noch unmoralisch sein. Wir bezeichnen ein Gefühl nur dann als ethisch relevant, wenn es uns veranlasst über die Ursachen des betreffenden Gefühls oder über die Reaktion des Betroffenen zu urteilen, und zwar in dem Sinne dass wir diese Ursachen und Reaktionen gutheißen (billigen) oder sie ablehnen (missbilligen). Zum Beispiel sind Zahnschmerzen, ein Beinbruch oder Fieber sehr intensive, aber normalerweise keine ethischen Gefühle, wenn sie aus unverschuldeten Umständen entstehen und sie die Existenz des Betroffenen nicht wesentlich beinträchtigen.

Smith hat in seiner Theorie der ethischen Gefühle viele ethische Gefühle beschrieben und untersucht, aber die meisten brauchen uns jetzt nicht zu interessieren, weil im Folgenden nicht die ethische Problematik im Vordergrund steht. Wir beschränken uns nur auf das, was uns hilft zu begreifen, wie dieser Mann, der Moralphilosoph mit Leib und Seele war, auf die Idee der geregelten Marktordnung gekommen ist.

Schwache (Kummer, Leiden, Trauer) und starke (Lust, Glück, Freude) Sympathien (Empathien)

In der Ethik wurden die Gemütszustände oder Gefühle oft drei Gruppen zugeordnet: den unangenehmen, den angenehmen und den Trieben. Smith stellte sich Frage, wie intensiv die unangenehmen und die angenehmen Gefühle nachempfunden werden. Wie gesagt ist es für unsere Zwecke  nicht nötig all die Gefühle in Betracht zu ziehen, die Smith in seiner Theorie behandelt. Wir beschränken uns im Folgenden auf Kummer, Leiden und Trauer als unangenehme und Lust, Glück und Freude als angenehme Gefühle. Smith ist der Auffassung, dass der Mensch die ersten weniger und die letzteren viel intensiver nachempfinden will. Als empirischer Philosoph ist er zu dieser Auffassung natürlich durch empirische Tatsachen gekommen. Das schauen wir uns jetzt näher an. Abschleißend fügen wir noch seine Erklärung dieser empirischen Befunde hinzu.

Auf den ersten Blick scheint es, dass sich Smith mit etwas beschäftigt, was dermaßen gewöhnlich und unbestritten ist, dass es keine Aufmerksamkeit verdienen würde:

„Es ist angenehm, mit der Freude des anderen zu sympathisieren ... Aber es ist schmerzlich, den Kummer des anderen mitzuempfinden und nur mit Widerstreben nehmen wir jedes Mal an ihm teil.
Freude ist eine angenehme Gemütsbewegung und wir überlassen uns ihr gerne auch bei dem geringsten Anlasse. ... Kummer jedoch ist schmerzlich und unser Gemüt widersetzt sich ihm naturgemäß und scheut vor ihm zurück, selbst wenn es sich um unser eigenes Unglück handelt. Wir bemühen uns, ihn entweder überhaupt nicht zu fühlen, oder wenn wir ihn schon fühlen, ihn so rasch als möglich abzuschütteln.“ ... >

Es ist in der Tat eine offensichtliche und allseits bekannte Tatsache, dass wir lieber froh als traurig sind. Aber so selbstverständlich wie es auf den ersten Blick zu sein scheint, ist es doch nicht. Es ist nämlich ebenfalls schon lange bekannt, dass die Empfindungen der angenehmen Gemütszustände an sich normalerweise nicht sehr intensiv und vom kurzer Dauer sind, die Schmerzen dagegen können unerträglich groß sein und sehr lange dauern. Der Mensch würde es aber gern anders haben. Er bemüht sich nach Kräften, die angenehmen aber an sich schwachen Gefühle so viel wie überhaupt möglich wahrzunehmen und die unangenehmen, aber starken Gefühle zu verdrängen. Dieses Verhalten überträgt er auch auf das Nachempfinden der Gefühle der anderen.

„Wir bemühen uns oft, unsere Sympathie mit dem Leid anderer zu unterdrücken. Immer, wenn wir nicht von dem Leidenden selbst beobachtet werden können, trachten wir um unserer selbst willen, diese Sympathie, so sehr wir können, zu überwinden und wir sind dabei nicht immer von Erfolg begleitet. Der Widerstand, den wir ihr entgegensetzen und der Widerwille, mit dem wir ihr nachgeben, zwingt uns aber mit Notwendigkeit, von ihr in stärkerer Weise Notiz zu nehmen. Dagegen haben wir es niemals nötig, unserer Sympathie mit der Freude diesen Widerstand entgegenzusetzen.
Der Mann, der unter den größten Bedrängnissen seine Traurigkeit beherrschen kann, scheint uns der höchsten Bewunderung würdig; der aber, der in der Fülle des Glücks in gleicher Weise seine Freude zu meistern vermag, scheint uns kaum irgendwelches Lob zu verdienen.
Warum sollten wir uns mehr schämen vor den Leuten zu weinen, als zu lachen? Wir mögen oft ebenso gegründeten Anlaß zum Weinen haben als ein anderesmal zum Lachen, aber wir haben immer das Gefühl, daß die Zuschauer eher bereit sind, unsere angenehmen Gemütsbewegungen zu teilen, als die schmerzlichen. Es ist immer erbärmlich, zu klagen, selbst wenn wir von den fürchterlichsten Schicksalsschlägen bedrückt sind. Aber der Triumph des Sieges ist keineswegs immer unschön.
Wie herzlich sind bei einem Triumph oder bei einem öffentlichen Einzug die jauchzenden Zurufe des Pöbels ... und wie gelassen und mäßig ist gewöhnlich ihr Kummer bei einer Hinrichtung! Unsere Trauer bei einem Begräbnis kommt meistens auf nicht mehr als auf einen erkünstelten Ernst hinaus; aber unsere Fröhlichkeit bei einer Taufe oder einer Hochzeit ist immer vom Herzen kommend und ohne jede Künstelei.“ ... >

Smith war nie geneigt, die Realität zu vereinfachen, nur um sie besser in sein gedankliches Schema hineinpressen zu können, im Gegenteil. Er hat den Ausnahmen und Abweichungen von seinen Erklärungsmustern sogar besondere Aufmerksamkeit gewidmet, um sich sicher zu sein, dass seine verallgemeinernden Schlussfolgerungen berechtigt sind. So ist ihm nicht entgangen, dass nach außen gezeigte Sympathien nicht immer ehrlich, sondern oft nur vorgetäuscht sind.

„Wir behaupten dann, Über das Glück unseres Nächsten froh zu sein, während wir vielleicht tatsächlich in unseren Herzen darüber traurig sind. Wir fühlen oft Sympathie mit den Leiden des anderen, wenn wir wünschten, davon befreit zu sein; und wir wären oft froh, mit seiner Freude sympathisieren zu können und sind doch nicht imstande dazu.“ ... >

Aber auch wenn es solche Ausnahmen gibt, bleibt Smith trotzdem bei der Meinung, dass es sozusagen zu den Konstanten der menschlichen Natur gehört, mit Lust, Glück und Freude stark zu sympathisieren und mit Kummer, Leiden und Trauer schwach.

„Ungeachtet dieses Vorurteils wage ich indessen zu behaupten, daß, sobald ... kein Neid im Spiele ist, unsere Geneigtheit, mit Freude zu sympathisieren, weit stärker ist als unsere Geneigtheit, mit Leid zu sympathisieren, und daß unser Mitgefühl für die angenehme Gemütsbewegung sich weit mehr der Lebhaftigkeit dessen nähert, was die in erster Linie betroffenen Personen fühlen, als jenes, welches wir für eine schmerzliche Gemütsbewegung empfinden.
Es ist angenehm, mit der Freude des anderen zu sympathisieren. Und immer überläßt sich unser Herz mit Genugtuung den höchsten Entzückungen dieses ergötzlichen Gefühls, wenn nicht gerade Neid und Mißgunst dies verhindern. Aber es ist schmerzlich, den Kummer des anderen mitzuempfinden und nur mit Widerstreben nehmen wir jedesmal an ihm teil.“ ... >

Der Neid ist eigentlich das einzige, gewissermaßen relevante Gefühl, das laut Smith gegen die starke Sympathie mit Lust, Glück und Freude wirkt. Dass aber der Neid dennoch nicht sehr viel ausrichtet, bestätigt die einfache Tatsache, dass die Menschen ihren Neid verbergen. Sogar wenn man den Neid berücksichtigt, gilt es nach „draußen“ also immer noch, dass die Sympathie (Empathie) mit dem Angenehmen stark und mit dem Unangenehmen schwach ist.

Es mag sein, dass dies alles eigentlich sehr einleuchtend ist, aber es lässt sich trotzdem nicht bestreiten, dass es sich um einen Widerspruch handelt: Die unangenehmen oder gar schmerzlichen psychischen oder somatischen Gefühle, auch wenn sie viel intensiver als die angenehmen sind, werden moralisch genau umgekehrt behandelt. Man kann also auch von einer Art Realitätsverweigerung sprechen. Welche Folgen kann diese Art von Realitätsverweigerung nach sich ziehen?

Für Smith war das eine sehr wichtige Frage. Er hat sie im sozialen Kontext beantwortet, weil er, wie wir bereits gesehen haben, kein Individualist und schon gar kein methodischer Individuallist war. Deshalb hat er nie übersehen, dass die Menschen keine richtigen Individuen sind, sondern bestimmten sozialen Gruppen und Klassen gehören, was ihre moralischen Beweggründe beeinflusst bzw. ihre ethischen Gefühle verfälscht.

Die Verfälschung der ethischen Gefühle durch Hang die Reichen abgöttisch zu bewundern

Es ist eine Tatsache, dass es in allen zivilisierten Gesellschaften der Menschheitsgeschichte große soziale Unterschiede gab. Im Kapitalismus sind diese Unterschiede noch größer geworden. Ein paar Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Kapitalismus durch den Kommunismus bedroht wurde, sind sie zwar für eine kurze Zeit zurückgegangen, aber sobald diese Bedrohung gebannt war, kehrte der Kapitalismus zu seinem sozusagen natürlichen Stadium zurück: große Armut und Unterdrückung bei vielen und märchenhafter Reichtum und uneingeschränkte Macht bei wenigen. Die Behauptung, mehr Freiheit bringe mehr Gleichheit hat sich als Irrtum erwiesen. Der Kapitalismus ist nicht einmal imstande für Chancengleichheit zu sorgen.

„Die kapitalistische Ungleichheit wächst mit der Zeit, denn die Wirtschaftsentwicklung ist in mancher Hinsicht ein Staffellauf, bei dem diejenigen, die sich vorangearbeitet haben, an der Spitze bleiben. Dominierende Führungspositionen werden nicht bloß von einer Generation an die andere weitergegeben, sondern auch von einer Geschäftstransaktion zur anderen. Die erste Milliarde ist am allerschwersten zu verdienen. Einmal reich gewordene Familien diversifizieren ihr Vermögen und kehren nur noch sehr selten in die Mittelschicht zurück. Ein großes Vermögen zu verlieren ist genauso schwer, wie es zu verdienen. Der Landadel in Großbritannien, der Jahrhunderte alt ist, zählt immer noch einige der reichsten Individuen des Landes zu seinen Angehörigen. Von der Königin abgesehen, stammen drei der 13 vermögendsten Personen aus dem Landadel, und etliche der übrigen repräsentieren altes Geld. Die ursprüngliche Generation der Duponts und Rockefellers machte ihr Vermögen vor einer langen Zeit, aber viele Mitglieder der heutigen Familiengeneration sind weiterhin sehr reich. Die Waltons werden noch lange auf der Liste der wohlhabendsten Amerikaner stehen. Der Mythos, dass man innerhalb von drei Generationen „von Hemdsärmeln zu Hemdsärmeln“ zurückkehre, ist wirklich nichts anderes als ein Mythos.“ ... >

Für Smith war es selbstverständlich, dass diese sozialen Unterschiede einerseits ungerecht - weil unverdient - sind, und andererseits die wichtigste Quelle für Kummer, Leiden und Trauer der vielen. Als scharfer Beobachter der Tatsachen musste Smith aber mit Erstaunen und Enttäuschung feststellen, wie die Menschen die sozialen Unterschiede nicht nur hinnehmen, sogar wenn sie sehr groß sind, sondern sich am Reichtum der kleinen Zahl ihrer Mitmenschen geradezu ergötzen. Er spricht von einem Hang bei den Menschen, die „Reichen und Mächtigen zu bewundern und beinahe göttlich zu verehren, und Personen in ärmlichen und niedrigen Verhältnissen zu verachten“. Dieses Verhalten bringt er in Zusammenhang mit der Neigung der Menschen mit Lust, Glück und Freude stark zu sympathisieren. Das bedeutet zugleich, dass die Menschen glauben müssten, dass Reichtum etwas mit Lust, Glück und Freude zu tun hat. Das ist offensichtlich der Fall. Die Tatsachen sagen eindeutig aus, dass die Reichen und Mächtigen in allen Zeiten und allen Kulturen bewundert und beinahe göttlich verehrt wurden. Smith beschreibt dies ausführlich und eindrucksvoll:

„Der Mann von Rang und Distinktion wird von aller Welt beobachtet. Jedermann ist begierig, nach ihm zu schauen und wenigstens durch Sympathie jene Freude und jene Heiterkeit nachzuempfinden, mit welcher seine glücklichen Verhältnisse ihn naturgemäß erfüllen müssen. Alle seine Handlungen beschäftigen das Interesse des Publikums. Kaum ein Wort kann ihm entfallen, kaum eine Gebärde ihm entschlüpfen, die wirklich ganz und gar unbeachtet bleiben würde. In einer großen Versammlung ist er derjenige, auf den sich die Augen aller richten; auf ihn scheinen ihre Affekte erwartungsvoll zu harren, um jene Bewegung und Richtung anzunehmen, die er ihnen mitteilen wird; und wenn sein Betragen nicht ganz und gar ungereimt ist, so hat er jeden Augenblick Gelegenheit, die Teilnahme der Menschen zu wecken und die Beachtung und das Mitgefühl eines jeden einzelnen aus der Menge auf sich zu lenken.
Wir fühlen eine eigentümliche Sympathie mit dem Vergnügen derjenigen, die sich in diesem Zustand befinden. Wir unterstützen sie in all ihren Neigungen und erfüllen all ihre Wünsche. Wie schade, denken wir, wenn irgend etwas eine so angenehme Situation zerstören und verderben sollte. Ja, wir möchten geradezu wünschen, daß jene Menschen unsterblich wären: und es scheint uns hart, daß der Tod schließlich einem so vollkommenen Genießen ein Ende setzen sollte! Es ist grausam eingerichtet in der Natur, denken wir, daß sie solche Personen von ihren erhabenen Stellungen in jenes niedrige, aber gastliche Heim zwingt, das sie für alle ihre Kinder vorgesehen hat. „Ewig lebe der große König!“, ist die Begrüßung, die wir nach der Sitte orientalischer Schmeichelei ihnen gern zuteil werden ließen, wenn uns nicht die Erfahrung deren Ungereimtheit lehrte. Jedes Unglück, das sie befällt, jede Beleidigung, die ihnen zugefügt wird, erregt in der Brust des Zuschauers zehnmal mehr Mitleid und Vergeltungsgefühl, als er empfinden würde, wenn dieselben Dinge anderen Menschen widerfahren wären.
Der Mangel an Vermögen, die Armut, erweckt an und für sich wenig Mitleid. Ihre Klagen pflegen nur allzu leicht eher Verachtung als Mitgefühl zu erwecken. Wir verachten den Bettler und mag uns seine Zudringlichkeit auch ein Almosen abnötigen, wir werden doch kaum jemals ein ernstliches Mitleid mit ihm fühlen. Dagegen wird der Sturz aus Reichtum in Armut, da er ja gewöhnlich auch für den, der dieses Schicksal erleidet, das größte Elend mit sich bringt, selten ermangeln, in dem Zuschauer tiefes und aufrichtiges Mitleid hervorzurufen. Obgleich sich dieses Unglück in dem gegenwärtigen Zustand unserer Gesellschaft selten ereignen kann, ohne daß auf Seiten des davon Betroffenen gewisse Fehler in seiner Lebensführung - und sogar sehr beträchtliche Fehler - geschehen sein mögen, so wird man ihm doch fast immer so viel Mitleid entgegenbringen, daß man ihn kaum jemals auf die tiefste Stufe der Armut wird sinken lassen. Er wird vielmehr fast immer durch die Hilfe seiner Freunde, häufig auch durch die Nachsicht gerade derjenigen Gläubiger, die Grund genug hätten, über seine Unklugheit Klage zu führen, in einer gewissen anständigen, wenn auch bescheidenen mittleren Vermögenslage erhalten werden.“ ... >

Die Tatsachen belegen eindeutig, dass der Reichtum sozusagen ein universelles Mittel ist, sich Ehre und Bewunderung zu verschaffen, zumindest von einem großen Teil der Bevölkerung. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass der Reichtum bei so vielen Menschen zum einzigen Sinn ihres Lebens wird.

„Weil die Menschen geneigt sind, aufrichtiger mit unserer Freude zu sympathisieren als mit unserem Leid, pflegen wir gewöhnlich mit unserem Reichtum zu prunken und unsere Armut zu verbergen. Nichts ist für uns so kränkend, wie wenn wir gezwungen sind, unsere Notlage den Blicken der Allgemeinheit preiszugeben und dabei zu fühlen, daß, obwohl unsere Situation für die Augen aller Menschen offen daliegt, doch kein Sterblicher auch nur die Hälfte dessen fühlt, was wir leiden. Ja, es kommt hauptsächlich von dieser Rücksicht auf die Gefühle der Menschen, daß wir den Reichtum anstreben, und daß wir der Armut zu entrinnen trachten.
Der reiche Mann rühmt sich seines Reichtums, weil er fühlt, daß dieser naturgemäß die Aufmerksamkeit der Welt auf ihn lenkt, und daß die Menschen geneigt sind, an all jenen angenehmen Gemütsbewegungen gerne teilzunehmen, welche die Vorteile seiner Situation ihm so leicht einflößen müssen. ... Der Arme auf der anderen Seite schämt sich seiner Armut. Er fühlt, daß sie ihn entweder aus dem Gesichtskreis der Menschen ausschließt, oder daß diese doch, wenn sie irgend Notiz von ihm nehmen, kaum irgendwelches Mitgefühl mit dem Elend und der Not haben werden, die er erduldet. ... Sie wenden ihre Augen von ihm ab oder, wenn das Übermaß seines Elends sie zwingt, nach ihm zu blicken, dann geschieht es nur, um einen so unangenehmen Gegenstand aus ihrer Mitte hinwegzustoßen. Die Glücklichen und Stolzen staunen über die Unverschämtheit menschlichen Elends und wundern sich, daß dieses es wagen könne, sich vor ihnen zur Schau zu stellen, und daß es sich herausnehme, mit dem ekelhaften Anblick seiner Not die Heiterkeit ihres Glückes zu stören.“ ... >

Wie bereits erwähnt, hat Smith nie im Geringsten daran gezweifelt, dass die großen Reichtümer fast nie verdient sind, weil hinter ihnen kein wirkliches Verdienst steht. Einfacher gesagt, er hat die Klassenunterschiede nie für gerecht gehalten. Warum er die Anhäufung von Eigentum (Kapital) bei wenigen trotzdem für nötig und nützlich hält, das werden wir uns später noch ganz genau anschauen. Bedeutet das einen Konflikt zwischen Gerechtigkeit (Verdienstprinzip) und Eigentum (Verteilung)? Ja, wenn die Menschen die Verletzung des Verdienstprinzips als eine Verletzung der Gerechtigkeit sehen. Dieser Meinung war Smith tatsächlich. Er meinte auch, dass die Menschen ein starkes Bedürfnis nach Gerechtigkeit haben, musste aber feststellen, dass die Verblendung der Menschen durch Reichtum das Verlangen nach Gerechtigkeit erheblich schwächt.

„Es gibt kaum einen Menschen, der nicht den Reichen und Vornehmen bei gleichem Grade des persönlichen Verdienstes mehr achten würde als den Armen und Niedrigen. Von den meisten Menschen wird sogar die Anmaßung und Eitelkeit der ersteren weit mehr bewundert als das wirkliche und echte Verdienst der letzteren.
Gewiß, jene hohen Stellungen können durch Laster und Torheit völlig ihres Ansehens beraubt werden. Aber das Laster und die Torheit müssen sehr groß sein, bevor sie diese vollständige Entehrung bewirken können. Die Verworfenheit eines Mannes von Welt wird mit weit weniger Verachtung und Abneigung betrachtet, als die eines Mannes aus niedrigerem Stande. Dem letzteren wird gemeinhin eine einzige Übertretung der Regeln der Mäßigkeit und Schicklichkeit weit mehr übel genommen, als dem ersteren die beständige und eingestandene Mißachtung dieser Regeln.
Eine Person von Stand auszupeitschen oder sie an den Pranger zu stellen - sei es um welchen Verbrechens immer - ist eine Roheit, deren keine europäische Staatsregierung - ausgenommen diejenige Rußlands - fähig wäre.
Die Gewalttätigkeit und Ungerechtigkeit großer Eroberer wird oft mit törichter Bewunderung betrachtet; diejenige von kleinen Dieben, Räubern und Mördern wird in allen Fällen mit Verachtung, mit Haß und sogar mit Abscheu angesehen. Die Verbrechen der ersteren sind zwar hundertmal mehr unheilbringend und verderblich, aber wenn sie nur von Erfolg begleitet sind, werden sie dennoch oft als Taten höchst heldenmütiger Seelengröße angesehen.“ ... >

Man kann sich schnell die Folgen denken, welche die törichte Freizügigkeit und Kulanz der Menschen den Reichen und Mächtigen gegenüber nach sich zieht. Ganz einfach ausgedrückt: Sie können sich fast alles erlauben.

„Ihr Vorgehen muß - ob mit Recht oder Unrecht - den höchsten Grad jener Affekte in der Masse des Volkes erregt haben, bevor dieses dazu gebracht werden kann, ihnen mit Gewalt Widerstand zu leisten oder sogar bloß den Wunsch zu empfinden, sie bestraft oder abgesetzt zu sehen. Selbst wenn das Volk aber so weit gebracht worden ist, so ist es doch jeden Augenblick imstande, sich erweichen zu lassen, und fällt dann leicht in jenen eingewurzelten Zustand der Unterwürfigkeit gegenüber jenen zurück, die es als seine natürlichen Vorgesetzten anzusehen gewohnt war. Es kann die Kränkung seines Monarchen nicht ertragen. Mitleid tritt bald an die Stelle des Vergeltungsgefühles, es vergißt alle vergangenen Herausforderungen, seine alten Grundsätze der Untertanentreue leben wieder auf und es eilt, die zerstörte Autorität seines alten Herrn mit der gleichen Gewalt wiederherzustellen, mit der es ihr Widerstand geleistet hatte. Der Tod Karls I. brachte die Restauration und die Wiedereinsetzung der königlichen Familie zustande. Das Mitleid für Jakob II. - als er durch den Pöbel bei seinem Versuch, auf einem Schiffe zu entfliehen, ergriffen wurde - hätte beinahe die Revolution verhindert und hat sie jedenfalls bedeutend verzögert.“ ... >

Das beste Beispiel aus heutiger Zeit ist das Benehmen der Bankiers. Sie betreiben ein globales Pyramidenspiel und ruinieren dabei ganze Volkswirtschaften.dorthin Die Bürger können sich darüber aus zahlreichen Quellen informieren, aber sie tun nichts. Ihnen steht eine bequeme demokratische Methode zur Verfügung, mit den Wahlzetteln diese Kriminalität des Finanzsektors zu beenden und die Verantwortlichen zu bestrafen. Trotzdem geschieht nichts. Als Smith gelebt hat, waren diese demokratischen Möglichkeiten nicht gegeben, etwas anderes hätte er aber auch schon damals nicht erwartet:

„Daß die Könige die Diener ihres Volkes sind, daß ihnen Gehorsam oder Widerstand geleistet, daß sie abgesetzt oder bestraft werden sollen, je nachdem, wie es gerade die Wohlfahrt des Gemeinwesens verlangen mag - das ist die Lehre der Vernunft und der Philosophie, aber es ist nicht die Lehre der Natur. Die Natur lehrt uns vielmehr, uns ihnen um ihretwillen zu unterwerfen, zu zittern und uns zu Boden zu beugen vor ihrer erhabenen Stellung, ihr Lächeln als einen hinreichenden Lohn zu betrachten, der uns alle unsere Dienstleistungen zu vergüten vermag, und ihr Mißfallen, auch wenn kein anderes übel daraus folgen sollte als die schwerste von allen Demütigungen zu fürchten.
Es sind hauptsächlich die Weisen und Tugendhaften, eine auserwählte, doch - wie ich fürchte - nur kleine Schar, die die wahren und ständigen Bewunderer von Weisheit und Tugend bilden. Der große Haufen der Menschen, der Pöbel, das sind die Bewunderer und Anbeter von Reichtum und Vornehmheit.“ ... >

Als Denker mit einem breiten Blick auf die Welt fragte sich Smith auch, womit die Reichen und Mächtigen so viel Aufmerksamkeit und Bewunderung verdient hätten. Was er herausfand war erschütternd. Die Reichen und Mächtigen erreichen alles lediglich mit reiner Korrektheit ihres Betragens, mit Glamour und glänzender Wirkung nach draußen. Und könnte es sein, fragt Smith weiter, dass sie selbst nicht wüssten, zu welch billigem Preis sie zu ihren Ehren gelangt sind? Das verneint er. Sie hätten dies schon längst begriffen und sie nützten dies rücksichtslos aus:

„Da all seine Worte, all seine Bewegungen aufmerksam beachtet werden, lernt er vielmehr, auf jeden einzelnen Umstand seines alltäglichen Betragens beständig Bedacht zu nehmen, und läßt es sich angelegen sein, alle jene kleinen Pflichten mit der genauesten Korrektheit zu vollführen. Da er sich dessen bewußt ist, wie sehr er beobachtet wird, und wie sehr die Menschen bereit sind, ihn in all seinen Neigungen zu unterstützen, handelt er bei den gleichgültigsten Gelegenheiten mit jener Ungezwungenheit und würdevollen Hoheit, welche der Gedanke daran ihm naturgemäß einflößt. Seine Miene, sein Betragen, seine Haltung, alles das verrät jenes elegante und anmutige Gefühl der Überlegenheit, welches diejenigen, die in niedrigerem Stand geboren sind, kaum jemals erlangen können. Dies sind die Künste, durch welche er die Menschen dahin zu bringen denkt, daß sie sich leichter seiner Autorität unterwerfen, und durch welche er ihre Neigungen nach seinem Belieben beherrschen zu können glaubt; und selten wird er in dieser Erwartung getäuscht werden. Diese Künste sind, sofern sie durch hohen Stand und hervorragende Stellung unterstützt werden, in der Regel hinreichend, um die Welt zu beherrschen.“ ... >

„Hinreichend, um die Welt zu beherrschen“ - was für eine grausame Schlussfolgerung!

Lassen sich die schwachen und die starken Sympathien (Empathien) sinnvoll erklären?

Es wurde schon hervorgehoben, dass Smith seine Theorie zum größten Teil für seine Ethikvorlesungen vor jungen Studenten an der Universität Glasgow verfertigt hat, so dass sie gewissermaßen eine Buchform gesammelter Vorlesungen ist. Daraus ergab sich, dass das bereits Besprochene wiederholt wurde und eine generelle Struktur der persönlichen Gedanken und Schlussfolgerungen nicht unmittelbar ersichtlich ist. Auch die Verfälschung der ethischen Motive durch Reichtum wird nicht als eine These vorgelegt, die in aufeinander folgenden Schritten entwickelt und begründet wird, sondern die Problematik wird an mehreren Stellen angesprochen und partiell behandelt. Zu dieser Unübersichtlichkeit hat aber nicht wenig beigetragen, dass Smith - wie erwähnt - nie der Versuchung erlag, widerspenstige Tatsachen unter den Tisch fallen zu lassen, damit ein logisch einfaches und elegantes System entsteht, auf Kosten der Entfremdung von der Realität. Wenn man also herausfinden will, was Smith „wirklich sagen wollte“, muss man auf eine mühselige Weise alles versammeln, was er zu dem betreffenden Thema sagte, abschätzen was er für besonders wichtig hielt und daraus seine Auffassung „erraten“.

Dass die Verfälschung der ethischen Gefühle durch die Bewunderung des Reichtums in der Ethik von Smith höchste Relevanz einnimmt, kann man auch nur daraus schließen, dass er sich darüber viele Gedanken macht. Seine allgemeine und unmittelbare Erklärung dafür ist die starke Sympathie (Empathie) mit Lust, Glück und Freude bzw. die schwache mit Kummer, Leiden und Trauer. Er geht aber noch weiter, und versucht auch herauszufinden, worauf diese so unterschiedliche Sympathie beruhen sollte. Wie man schon erwarten kann, prüft er alle in Frage kommenden Erklärungsmöglichkeiten. So zog er auch die Möglichkeit in Erwägung, dass die Stumpfheit unseres Gefühls für Bekümmernisse gewisse Vorteile für die menschliche Spezies haben könnte, die wir heute als evolutionäre Vorteile bezeichnen würden:

„Wir mögen uns innerlich selbst über unseren Mangel an Gefühl Vorwürfe machen ... [aber] meistens, sowie wir das Zimmer verlassen haben, schon verschwindet und für immer dahin ist. Es scheint, daß die Natur, als sie uns mit unseren eigenen Sorgen belud, der Meinung war, diese seien für uns schwer genug, und daß sie uns deshalb nicht auftrug, irgendeinen weiteren Anteil an den Sorgen der anderen zu nehmen, als soweit es notwendig war, um uns zur Linderung dieser Sorgen anzuspornen.“ ... >

Sollte das stimmen, würde es erklären, warum wir so wenig Mitleid mit den sozial Schwachen und Benachteiligten haben, oder anders gesagt, warum Nächstenleibe nur ein sehr schwaches ethisches Gefühl sein kann. Es ist in der Tat so, dass Smith nicht erst in dem Wohlstand - wie man es oft hört -, sondern schon in der Theorie mit Wohlwollen und Nächstenliebe nicht viel anfangen konnte.

„Wohlwollen mag vielleicht bei der Gottheit das einzige Prinzip des Handelns sein und es bestehen einige nicht untriftige Gründe, die es uns wahrscheinlich erscheinen lassen möchten, daß es sich wirklich so verhalte. Man kann sich nicht leicht vorstellen, aus welchem anderen Beweggrunde ein unabhängiges und allervollkommenstes Wesen handeln sollte, das keiner äußeren Dinge bedarf, und dessen Glückseligkeit vollkommen in seinem eigenen Wesen ruht. Wie immer es sich aber auch mit der Gottheit verhalten mag, ein so unvollkommenes Geschöpf wie der Mensch, das schon zur Erhaltung seines Daseins so vieler äußerer Dinge bedarf, muß sicher oft aus so manchem anderen Beweggrunde handeln.“ ... >

Als Smith über „die Schönheit des Edelmutes und die Hässlichkeit der Ungerechtigkeit“ sprach, sagte er ausdrücklich:

„Es ist nicht die Liebe zu unserem Nächsten, es ist nicht die Liebe zur Menschheit, was uns in vielen Fällen zur Betätigung jener göttlichen Tugenden antreibt.“ ... >

Er fügt gleich hinzu:

„Es ist eine stärkere Liebe, eine mächtigere Neigung, die in solchen Fällen im allgemeinen eingreift: die Liebe zu allem, was ehrenwert und edel ist, das Verlangen nach Größe, Würde und Erhabenheit unseres Charakters.“ ... >

In diesem Satz, deren Inhalt er an anderen Stellen und in anderen Zusammenhängen wiederholt, dürfte die Erklärung liegen, warum wir die Reichen und Mächtigen bewundern. Sie würden unsere Sehnsüchte und Hoffnungen verkörpern.

„Wenn wir die Situation der Großen in jenen trügerischen Farben sehen, in denen die Einbildungskraft sie sich gerne auszumalen pflegt, so scheinen sie beinahe die ideale Vorstellung eines vollkommenen und glücklichen Zustandes darzustellen. Es ist gerade der Zustand, dessen Bild wir in all unseren wachen Träumen und eitlen Phantasien uns als den letzten Gegenstand unserer Wünsche entworfen hatten. Wir fühlen deshalb eine eigentümliche Sympathie mit dem Vergnügen derjenigen, die sich in diesem Zustand befinden. Wir unterstützen sie in all ihren Neigungen und erfüllen all ihre Wünsche. Wie schade, denken wir, wenn irgend etwas eine so angenehme Situation zerstören und verderben sollte.“ ... >

Es ist allgemein bekannt, dass die Reichen und Mächtigen Arbeitsplätze und Pfründe verteilen.Also lohnt es sich, ihnen zu schmeicheln. Das ist auch Smith nicht entgangen, und er konnte auch nicht übersehen, dass dies wenig erklären kann.

„Unsere Unterwürfigkeit gegen diejenigen, die über uns stehen, entspringt häufiger aus unserer Bewunderung für die Annehmlichkeiten ihrer Situation, als aus unserer Hoffnung auf Wohltaten, die wir von ihrem Wohlwollen erwarten dürfen. Ihre Wohltaten können sich nur auf einige wenige erstrecken; aber ihre Schicksale interessieren beinahe jedermann. Wir sind begierig, ihnen ein Gebäude der Glückseligkeit vollenden zu helfen, das sich schon so stark der Vollkommenheit nähert; und wir verlangen nur um ihretwillen ihnen zu dienen, ohne eine andere Vergütung, als die Eitelkeit oder die Ehre, die wir in dem Bewußtsein finden, sie uns zu verpflichten.
Es macht uns Vergnügen, die Vervollkommnung eines schönen und großartigen Systems zu betrachten ... Es scheint, daß wir mitunter aus einem gewissen Systemgeist und einer gewissen Liebe zur Kunst und zu Erfindungen überhaupt die Mittel höher schätzen als den Zweck, und daß wir eher aus der Absicht heraus, ein bestimmtes schönes und geordnetes System zu vervollkommnen und zu verbessern, darauf bedacht sind, die Glückseligkeit unserer Mitmenschen zu fördern, als aus irgendeinem unmittelbaren Bewußtsein oder Gefühl davon, welches ihre Leiden oder ihre Freuden sind. Es hat Menschen gegeben, die vom höchsten Gemeingeist beseelt waren, und die sich doch in anderer Beziehung den Gefühlen der Menschlichkeit nicht sehr zugänglich gezeigt haben. Und umgekehrt hat es Menschen gegeben, die von der edelsten Menschenfreundlichkeit erfüllt waren, und die doch, wie es scheint, gänzlich jedes Gemeingeistes bar waren.“ ... >

Anders gesagt, als homo oeconomicus würde der Mensch die Reichen nie abgöttisch bewundern. Wir täuschen uns dabei und zwar gleich in einer doppelten Hinsicht. Einerseits sind uns die Reichen und Mächtigen bei weitem nicht so nützlich wie es scheint, andererseits ist der Reichtum, über den sie verfügen, kein Mittel, die Glückseligkeit zu steigern. Die Mittel höher als den Zweck zu schätzen ist an sich sinnlos, wozu Smith einiges zu sagen hat - das schauen wir uns im nächsten Beitrag genauer an.

Aber Smith ist nicht dabei geblieben, die Verfälschung der ethischen Gefühle durch die Bewunderung des Reichtums zu kritisieren, sondern er dachte weiter und ist zur Mitte des Denkstromes der Moderne durchgedrungen. Er will die „verfälschten“ ethischen Gefühle oder Affekte nicht durch Verbote und Strafen aus der Welt schaffen, und auch von der Umerziehung erhofft er sich nichts, weil er, wie Spinoza vor ihm, an eine „unbedingte Oberherrschaft“ (imperium absolutum) der Vernunft über die Affekte nicht glaubt. Er will genauso vorgehen, wie es Francis Bacon vor fast zwei Jahrhunderten vorgeschlagen hat, nämlich Affekte gegen Affekte einzusetzen, „so wie wir das Tier mit Hilfe des Tieres hetzen und den Vogel mit Hilfe des Vogels jagen“.

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