DIE REAL EXISTIERENDE MARKTWIRTSCHAFT (KAPITALISMUS)
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  Summary O Die wellenförmige Funktionsweise der (laissez-faire) Marktwirtschaft
 
 
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  2. Phase des ökonomischen Zyklus der Marktwirtschaft: Die Erholung (Aufschwung)
  Die Entsorgung des überschüssigen Angebots durch Exportüberschüsse
       
 
„Gebt uns nur einen Markt“, sagen die Fabrikanten, „und wir werden euch Waren ohne Ende schaffen!“
 
  Henry George, ein amerikanischer politischer Ökonom und engagierter Sozialreformer (1839-1897)    

Die Geschichte sei „ein Schlachthof“, pflegte Hegel zu sagen. Aber warum ist die ganze Geschichte der Menschheit dermaßen mit Blut durchtränkt? Jeder ahnt es, nur wenige sind bereit, darüber offen zu sprechen. Der Sinn und das Ziel der unzähligen Kriege war schon immer, wie es Carl von Clausewitz formulierte - ein preußischer General, Heeresreformer und bekannter Militärtheoretiker -, den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen. Zu der „Erfüllung unseres Willens“ gehörte an der ersten Stelle, den Besiegten dazu zu zwingen, einen Teil von dem, was er besaß, sofort dem Sieger zu überlassen und ihm weiterhin regelmäßig einen Teil von dem, was er produziert, umsonst abzuliefern. Das siegreiche Volk, zumindest seine herrschende Klasse, konnte dann besser leben als zuvor, das besiegte Volk schlechter.

Von Clausewitz stammt auch die bekannte Redewendung, dass der Krieg eine Fortsetzung der Politik unter Einbeziehung anderer Mittel ist. Genau richtig lässt sich sagen, dass der Krieg eine Fortsetzung der Ökonomie unter Einbeziehung anderer Mittel ist. Mit Krieg erreicht man nämlich genau dasselbe, was man mit dem wirtschaftlichen Wachstum erreicht: mehr Güter. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass ein Land auf zweierlei Weise wohlhabender und reicher werden kann: einerseits durch ökonomisches Wachstum und andererseits durch Krieg bzw. Unterwerfung der anderen Länder. Das galt für das alte Ägypten, für Rom und gilt auch heute noch etwa für die USA. Die USA haben sich auf die Produktion von Waffen spezialisiert - sie sind fast nur mit ihnen und mit landwirtschaftlichen Produkten auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig - einen hohen materiellen Standard (Konsum) verdanken sie den Gütern, die sie durch das Drucken von Dollarscheinen importieren. Wer sich weigert, ihre Dollars zu akzeptieren, wird in die Vorgeschichte zurückbombardiert. Der Irakkrieg sollte die Mahnung an alle sein. Einige Staaten, wie etwa Deutschland, zahlen diesen Tribut deshalb gern, weil die Amerikaner ihre Märkte schützen.

Die dritte Möglichkeit, dass ein Land seinen Wohlstand oder Reichtum steigert, auch wenn es zugleich mehr Güter exportiert als importiert, war noch vor wenigen Jahrhunderten nicht nur unbekannt, sondern dieser Fall lag außerhalb jeder Vorstellung. Es schien damals, als habe diese Logik eine ewige und universelle Gültigkeit. Nun, wie man sagt, gar nichts ist ewig unter der Sonne, logische Schlussfolgerungen sind dabei keine Ausnahmen. In den letzten Jahrhunderten wurde diese Logik sozusagen auf den Kopf gestellt. Oder etwa vom Kopf auf die Füße? Schauen wir uns dies näher an.

Die merkantilistische Argumentation für mehr Export als Import

Der Merkantilismus war die vorherrschende ökonomische Auffassung der Frühmoderne, in der Zeit vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Nach dieser Auffassung sollte es das höchste ökonomische Interesse eines Staates sein, Exportüberschüsse zu erzielen. Das bedeutete, der Staat sollte mehr Güter exportieren als importieren. Eine solche Auffassung als Staatsraison, wie heben es noch einmal ausdrücklich hervor, gab es in der Geschichte nie zuvor. Und hat sie in der Praxis funktioniert? Sie hat:

Die Länder, die am Anfang der Moderne bestrebt waren, so viel wie möglich zu exportieren, waren in der Tat ökonomisch die erfolgreichsten, wie etwa England und Frankreich. Gerade in diesen Ländern sind der Kapitalismus und die freie Marktwirtschaft entstanden. Das verwundert. Aber was auf den ersten Blick so befremdlich oder gar unsinnig aussieht, hat doch eine eigene Logik und Sinn. Fangen wir mit der Erklärung der Exportüberschüsse an, die von den Merkantilisten selbst gegeben wurde.

Natürlich haben Merkantilisten nicht vor, Güter umsonst zu exportieren - also zu verschenken. In ihrer Zeit waren Zahlungsmittel zwischen den Staaten Edelmetalle, und gerade um sie ging es den Merkantilisten. Sollten Gold und Silber das Maß aller Dinge sein, dann wären die Exportüberschüsse in der Tat das beste Mittel, einen Staat wohlhabend und reich zu machen. Sind aber Gold und Silber dermaßen begehrenswert und wertvoll? Zweifel sind mehr als angebracht. Und diese Zweifel sind wahrhaftig sehr alt. Mann erinnert sich an die Sage von König Midas und dem Gold.

Der Gott Dionysos - auch Bacchus genannt - schuldete dem mächtigen König Midas einen Gefallen. Dieser wünschte sich nun, dass alles, was er berührt, zu Gold wird. Sein Wunsch ging in Erfüllung. Alles, was Midas berührte, wurde zu reinem Gold. Brach er einen Zweig vom Baum, wurde er zu Gold, hob er einen Stein vom Boden auf, wurde er zu Gold. Der König war außer sich vor Freude. Doch dann kam das böse Erwachen. Am Abend setzte sich der überglückliche König Midas an den üppig gedeckten Tisch, er konnte sich für sein Geld jetzt alles leisten, aber was passierte? Aber kaum nahm er ein Stück von seinem Teller oder einen Schluck aus seinem Becher zu sich, hatte er Gold im Mund. Der König würde verhungern und verdursten, wenn Dionysos nicht gnädig wäre, ihn von diesem Unheil zu befreien.

Eines der stärksten Argumente gegen den Merkantilismus war in der Tat, dass die Edelmetalle eben kein wirklicher Reichtum sind. Mit dem Argument, nicht Gold sondern Güter würden den Wohlstand bedeuten, hat Adam Smith schließlich dem Merkantilismus den Todesstoß versetzt. Er hat aber etwas fast sträflich übersehen, nämlich die realwirtschaftlichen Nebenwirkungen des - an sich sinnlosen - Strebens nach den Edelmetallen. Wenn nämlich ein Staat Gold und Silber durch Handel, und nicht durch Krieg erwerben will, geht es nicht anders, als dafür Güter anzubieten. Und diese müssen freilich zuerst hergestellt werden. Was auch immer wir über die Motive der Merkantilisten zu sagen hätten, sie haben sich in der Tat viele Gedanken gemacht, unter welchen Voraussetzungen die Herstellung von Gütern am besten und schnellsten steigen wird.

So haben sie sich für einen starken Staat eingesetzt. Der sollte die frühindustrielle Produktion fordern und fördern und mit verschiedenen protektionistischen Maßnahmen die einheimischen Manufakturen vor der ausländischen Konkurrenz schützen. So ein Staat war ein völlig anderer Staat als der feudale, dem es nur darum ging, so viel wie möglich den Leibeigenen wegzunehmen, um der schmarotzenden feudalen Klasse ein luxuriöses Leben zu ermöglichen. Heute werden wir sagen: Der Staat des neuen Typus sollte mit seinen hohen Steuern für Kapitalakkumulation sorgen. Die Merkantilisten haben aber auch die Vorteile der Konkurrenz erkannt. Das waren die wichtigsten Hauptgedanken und Vorschläge, die man in die Praxis umgesetzt hat, aus denen sich der Kapitalismus entwickelt hat. Es war am Entstehen der Märkte nichts „Natürliches“ und „Spontanes“, wie es die Ideologen der freien Märkte gern hätten. Nicht einmal bei der Entstehung des Kapitalismus in England war dies der Fall. Es ist falsch und gelogen, wenn uns die neoliberalen Ideologen glauben machen wollen, der Kapitalismus sei Ergebnis einer Laissez-faire-Wirtschaftspolitik und des Freihandels. Der bekannte englische Liberale, der anfangs der achtziger Jahre noch Cheftheoretiker von Premierministerin Thatcher war, schreibt dazu:

„Der freie Markt ist nicht, wie die heutige Wirtschaftsphilosophie gemeinhin annimmt, naturgegeben; er stellt sich auch nicht einfach her, wenn politische Eingriffe in das Marktgeschehen ausbleiben. Blickt man zurück in die Geschichte, so ist die freie Marktwirtschaft eine seltene und kurzlebige Abweichung vom normalen Lauf der Dinge. Die Norm sind regulierte Märkte; sie sind es, die in jeder Gesellschaft von selbst entstehen. Die freie Marktwirtschaft dagegen ist ein Geschöpf staatlicher Macht. Die zum Inventar der Neuen Rechten gehörende Vorstellung, freie Märkte und geringstmögliche Intervention der Regierung gehörten zusammen, stellt die Wahrheit auf den Kopf. ... Freie Märkte können nur durch die Machtmittel eines zentralisierten Staates geschaffen werden. Als dessen Schöpfungen sind freie Märkte nicht in der Lage, ohne starken Staat zu bestehen.“ ... >

An der Wiege des Kapitalismus stand immer ein starker interventionistischer Staat. Man hat ihn erst dann zur Seite geschoben, als die heimischen Betriebe die Produktivität so gesteigert hatten, dass man sie mit Zöllen nicht weiter zu schützen brauchte. Erwähnen wir dazu nur, dass England seine protektionistische Politik erst dann aufhob, als es sich (seit 1830) seiner industriellen Überlegenheit sicher war. Noch 1813 wurden die um 50 bis 60% billigeren indischen Kattun- und Seidenerzeugnisse in England mit einem Importzoll von 70 bis 80% belegt. Erst als die Wirtschaft ihre Produktivität deutlich steigern konnte, wich die protektionistische Gesinnung dem Open-door-Glauben bzw. dem Imperialismus des Freihandels. Wenn andere Länder weniger produktiv sind, ist es natürlich ein Vergnügen, sich für zollfreien Wettbewerb einzusetzen. Erst dann konnte sich in der englischen Politischen Ökonomie - wie die Wirtschaftswissenschaft damals mit Recht genannt wurde - einer wie David Ricardo durchsetzen, mit seinem berühmten Beweis, dass freier und von Zöllen befreiter internationaler Handel allen nur Vorteile bringt: die sogenannten komparativen Vorteile.

Die „komparativen Vorteile“ sind bis heute das stärkste theoretische Argument für den internationalen Handel. Es lässt sich in der Tat logisch bzw. mathematisch nachweisen, dass der internationale Handel allen an diesem Handel Beteiligten nützen kann, sowohl denen mit der höheren als mit der niedrigeren Produktivität. Ja, er kann allen nützen, muss aber nicht. Wir haben die komparativen Vorteile an einem Beispiel beleuchtetdorthin und sind zu der Schlussfolgerung gekommen, dass der Beweis von Ricardo unvollständig ist. Es sind zusätzliche Umstände, die schließlich entscheiden, ob die Gewinne aus der Arbeitsteilung - die es Ricardo fehlerfrei nachgewiesen hat - allen zugute kommen. Einfacher gesagt, nur bei gerechten Preisen würde es sich für alle Wirtschaften lohnen, am internationalen Handeln teilzunehmen. Aber diese Preise sind in Wirklichkeit von den Machtverhältnissen bestimmt. Das produktivere Land ist aber das mächtigere, so dass es in der Regel die komparativen Vorteile einfach abschöpft. Da beißt sich die Katze in den Schanz. Die Geschichte hat dies immer wieder eindeutig - und fast ausnahmslos - bestätigt.

Schon das Beispiel von Ricardo, dass es für England und Portugal am besten wäre, wenn England Textilien und Portugal Wein produziert, hat sich in der Praxis zu einer Katastrophe für Portugal entwickelt. England hat sich nämlich immer weiter industrialisiert und entwickelt, Portugal ist dagegen auf ein armes agrarisches Land zurückgefallen und hat sich davon nie mehr erholt. Das eindeutigste Beispiel liefert Indien. Es hatte die längste Geschichte einer extrem liberalen Wirtschaftspolitik, sowohl was den Binnenmarkt betrifft als auch den internationalen Handel. Die komparativen Vorteile müssten diesem Land viel bringen. Es ist aber ökonomisch total gescheitert. Der Historiker Naill Ferguson schreibt:

„Hier liegt eines der Rätsel der modernen Wirtschaftsgeschichte. Indien waren mehr als jeder anderen großen Volkswirtschaft Freihandel und westliche Handelsstandards aufgezwungen worden, und dennoch litt es unter Entindustrialisierung und wirtschaftlicher Stagnation. Die Vereinigten Staaten hatten im Gegensatz dazu die britische Herrschaft abgeworfen und eine protektionistische Zollpolitik verfolgt - ihre Einfuhrzölle betrugen durchschnittlich 44 Prozent -, die wir heute bei jedem Entwicklungsland verurteilen würden. Und das Resultat? Am Ende des 19. Jahrhunderts hatten die USA Großbritannien in Bezug auf die meisten Maßstäbe wirtschaftlicher Leistungskraft überholt. Wenn also Indiens relativer wirtschaftlicher Niedergang der britischen Herrschaft anzulasten wäre, hätten die Gegner eines liberalen Imperiums ein beängstigend starkes Argument in der Hand.“ ... >

Dem amerikanischen Weg folgten dann Deutschland und Japan. Paul Kennedy, ein bekannter britischer Historiker und Politikwissenschaftler, der sich insbesondere für das Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und Außenpolitik bei Großmächten interessiert, schreibt: 

„Japan wurde nicht modernisiert, weil einzelne Unternehmer dies vorantrieben, sondern weil der Staat es für notwendig hielt ... Der Staat förderte den Bau eines Eisenbahnnetzes, die Errichtung von Telegraphen- und Schifffahrtslinien. Er arbeitete mit den aufsteigenden japanischen Unternehmern zusammen, um die Schwer-, Eisen- und Stahlindustrie und den Schiffbau weiterzuentwickeln. Gleichzeitig wurde die Textilproduktion modernisiert. Subventionen der Regierung wurden eingesetzt, um Exporteure zu unterstützen, die Frachtschifffahrt zu fördern und beim Aufbau neuer Industrien zu helfen ... Hinter alledem stand ein beeindruckendes politisches Engagement, das darauf zielte, den nationalen Wahlspruch fukoku kyohei (reiches Land mit starker Armee) zu verwirklichen.“ ... >

Ist es also ein reiner Zufall, dass am Anfang des Kapitalismus im jeden Land der starke Staat stand, der Schutz vor Importen und Exportüberschüsse? Abgesehen von den USA, sind auch heute die erfolgreichsten Wirtschaften diejenigen, die mehr exportieren als importieren. Ist dies wirklich nur ein Zufall?

Die nachfragetheoretische Erklärung des Erfolgs durch Exportüberschüsse

Eines vorweg: Das Entstehen des Kapitalismus und seine weitere Entwicklung wurde natürlich durch viele Faktoren bestimmt, von denen manche nur eine Zeitlang wirksam waren, so dass es nicht möglich ist, die Geschichte des Kapitalismus in irgendwelche allgemein gültigen Erklärungsmuster zu pressen. Es lässt sich trotzdem nicht bestreiten, dass es auch gewisse Konstanten gibt, die sich mit großer Wahrscheinlichkeit immer wiederholten. Das erlaubt allgemeine Schlussfolgerungen, aus denen sich Prinzipien der Funktionsweise der Marktwirtschaft ableiten lassen, So lässt sich aus dem bereits Gesagten folgern, dass die erfolgreichen Staaten in den letzten Jahrhunderten diejenigen waren,

    welche die Konkurrenz gefordert und gefördert haben,        
    welche mehr exportierten als importierten

Die Konkurrenz in den Staaten, die den Weg der Marktwirtschaft eingeschlagen haben, wurde zuerst nur auf dem Binnenmarkt gefordert und gefördert, erst als dadurch die Produktivität gestiegen war, wurde der Binnenmarkt geöffnet und dies von allen anderen mit allen Mitteln verlangt. Die Exportüberschüsse in der Zeit, als die Produktivität niedrig war, hat man durch protektionistische Maßnahmen erreicht, später mit höherer Produktivität. So oder so hängen also die Überschüsse und wirtschaftlicher Erfolg eng zusammen. Wie erklärt man das?

Exportüberschüsse bedeuten, dass ein Teil der Güterproduktion nicht aus den Einkünften derjenigen bezahlt wird, die diese Güter erzeugen. Und das hat der Wirtschaft offensichtlich nicht geschadet, sondern sie sehr gestärkt. Eine mögliche Erklärung, die daraus logisch folgt, wäre, dass in der Marktwirtschaft immer wieder das Angebot hinter der Nachfrage zurückbleibt. Diese Erklärung kann in der Tat sehr große Mengen von Tatsachen hinter sich bringen. Sogar die Entstehung des Kapitalismus bzw. der Marktwirtschaft kann dann als eine Erfindung von Lösungen verstanden werden, mit denen sich der Nachfragemangel beseitigen ließ. Unter der Berücksichtigung des bereits Gesagten, würden zu den wichtigsten Lösungen folgende gehören:

Der Zufluss der Edelmetalle aus der Neuen Welt. Er begann schon seit den ersten Konquistadoren. Die geplünderten großen Mengen von Edelmetallen haben in Europa enorm für Absatz gesorgt. Zuerst war es vor allem Silber, später auch Gold. In dem 19. Jahrhundert, als der Goldstandard eingeführt wurde, stieg die Goldproduktion erheblich. Von geschätzten 15 Tonnen jährlich Anfang des Jahrhunderts auf etwa 160 Tonnen jährlich ab 1850. Das ist eine Steigerung um 967 Prozent. In den Jahren 1901 bis 1910 wurden gar 567 Tonnen jährlich produziert. Das ist eine Steigerung um 3.680 Prozent, bezogen auf den Anfang des Jahrhunderts. Kein Wunder also, dass sich gerade in diesem Jahrhundert der Goldstandard etabliert hat.

Die Kolonien bedeuteten ständige Kriege. Weniger gegen die Eingeborenen, diese auszurotten war kein großer Aufwand, sondern die Kriege zwischen den konkurrierenden Kolonialmächten. Kriege bringen einen üppigen Absatz an Waffen, deren Produktion, wie es unsere Analyse gezeigt hat, sehr intensiv Nachfrage schafft.dorthin

Die neuen Länder mussten erst industrialisiert werden, so dass ihr größter Bedarf die Produktionsgüter waren. Wie wir herausgefunden haben, sind diese Güter bzw. ihre Preise gleichgewichtsrelevant. Wenn sie steigen, kann die Wirtschaft mehr sparen und investieren, also schneller wachsen. Das werden wir bei der Untersuchung der nächsten Phase des ökonomischen Zyklus, der Hochkonjunktur (Boom) genauer erörtern.

Nun sagt uns das Saysche Gesetz - später behauptet die neoliberale Theorie, dies „analytisch streng“ bewiesen zu haben -, dass die Einkünfte nie kleiner sein könnten, als das Gesamtangebot. Damit würde die obige Erklärung durch mangelnde Nachfrage ausscheiden. Lassen wir uns für einen Augenblick überreden. Geben wir der neoliberalen Theorie eine Chance zu zeigen, was sie zu sagen hat. Ziehen wir unsere Annahme vom Nachfragemangel zurück und denken darüber nach, wohin es uns die Logik bringen würde, wenn die Exportüberschüsse wirklich nichts mit dem Nachfragemangel zu tun hätten.

Nehmen wir also an, dass die Einkünfte immer dem Angebot entsprechen. Wenn dies immer so ist, dann würde es in einer Wirtschaft, in der ein Teil der produzierten Güter mit externem (exogenem) Geld gekauft wird, einen genau gleichen Überschuss von Einkünften geben. Diese nicht verbrauchten Einkünfte würden die im Lande übrig gebliebenen Güter jagen, so dass es zur Inflation kommen müsste. Wir haben aber im 19. Jahrhunderts keine Inflation, eher eine ständige Tendenz zur Deflation - wie es das Bild unten für England zeigt. Und auch heute stellen wir fest, dass Exportmeister Japan schon seit Jahren mit Deflation kämpft, und die deutsche Markt war auch eine sehr stabile Währung - also eine mit niedriger Inflation.

Die Tatsachen passen also schlecht zur Annahme, die Nachfrage sei immer vorhanden. Außerdem haben die Exportüberschüsse einen erheblichen Schönheitsfehler. Sie funktionieren nach dem Prinzip: Beggar-my-Neighbour. Mit Recht wurde des öfteren bemerkt, dass die Deutschen das Diktum ihres Philosophen Immanuel Kant nicht mehr anerkennen wollen: Ein Prinzip muss immer Gültigkeit für alle haben, es muss universell sein. Aber alle können nicht Exportweltmeister werden.

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