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3. Phase des ökonomischen Zyklus der Marktwirtschaft: Die Hochkonjunktur (Boom) |
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Das spekulative Sparen als staatlich legalisierte Plünderung der Bürger (2) |
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Das globale Finanzsystem ist extrem teuer, gibt falsche Signale zur Lenkung der Kapitalströme und hat weniger mit wirklicher Investitionstätigkeit als mit der Konzentrierung von Reichtum zu tun. |
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Lester C. Thurow, bekannter zeitgenossischer amerikanischer Ökonom |
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Die Tatsache, dass der Finanzsektor Raubbau am restlichen Teil der Volkswirtschaft betreiben kann, ist ein wesentlicher Teil unserer Grundprobleme. |
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James Galbraith, bekannter zeitgenossischer amerikanischer Ökonom |
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Ich komme von einem Hedgefonds, und meine Zunft ist ja fast so schlimm wie der Teufel. |
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George Soros, einer der erfolgreichsten Börsenspekulanten letzter Jahrzehnte |
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In einer Wirtschaft müssen Ersparnisse angesammelt und Einkünfte als Kaufkraft aktiviert werden. Im vorigen Beitrag wurde dazu etwas mehr gesagt und zugleich begründet, warum diese Aufgabe nur Banken und Börsen zufrieden stellend verrichten können. Aber wie erfolgreich haben sie diese Aufgaben in den letzten Jahrzehnten wirklich verrichtet? Wenn man sich ihre praktischen Ergebnisse näher anschaut, ist man verwirrt und es kommen große Zweifel auf. Hätte das heutige Finanzsystem seine Aufgaben, die Ersparnisse an die reale Wirtschaft weiterzuleiten, nur halbwegs gut erledigt, dann müssten die Investitionen in den letzten Jahrzehnten für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit reichlich genügen. Die Arbeitslosigkeit ist aber tendenziell immer weiter gestiegen, schneller als man sie mit immer neuen statistischen Tricks wegleugnen konnte. Wo sind also die riesigen Ersparnisse - manche sprechen von einer Geldschwemme -, welche die Banken und Börsen verschluckt haben? Ein Teil davon lässt sich mit Preissteigerungen erklären, Wo aber ist der Rest geblieben?
In öffentlichen Debatten, in Talkshows und Interviews ist immer wieder zu hören, die Ersparnisse der letzten Jahrzehnte würden um den Globus herum strömen, auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten. Sollte dies stimmen, würde es bedeuten, dass diese Ersparnisse als „vagabundierendes Kapital“ irgendwo sein müssten. Dann kam aber der Herbst 2008, als die Weltwirtschaft zusammenbrach - vor allem die amerikanische und europäische. In dem gleichen Augenblick wurde klar, dass es kein Geld im Finanzsektor gibt - geschweige eine Geldschwemme. Folglich mussten die Regierungen, auf Teufel komm raus, die riesigen Rettungsfonds herzaubern, um den Zusammenbruch des Bankensektors und der realen Wirtschaft abzuwenden. Seitdem ist man erst recht verwirrt, wenn man über Geld und Ersparnisse nachdenkt. Wo ist nur das Geld verbleiben? Wir versuchen dafür eine schlüssige Erklärung zu liefern.
Das spekulative Sparen (mit Aktien) und die Bildung des Finanzvermögens
Man stößt immer wieder auf Statistiken, die ein ungewöhnlich schnelles Wachstum des Finanzvermögens attestieren, das sich zugleich immer mehr von dem Wachstum der realen Investitionen abkoppelt.
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Bemerkung: Sozialprodukt ist natürlich etwas anderes als reale Investitionen, aber diese zwei Größen stehen in einem festen Verhältnis (Kapitalkoeffizient) zueinander, der sich tendenziell sehr langsam und nicht wesentlich ändert. Das erlaubt auch die (abgeleitete) Schlussfolgerung, dass das Finanzvermögen im Verhältnis zu den realen Investitionen ebenfalls mit dem Faktor 3 gestiegen ist. |
Die realen Investitionen und damit auch das Finanzvermögen können sich - auch dazu haben wir im vorigen Beitrag das Nötigste gesagt - auf zweierlei Weise bilden: aus den Ersparnissen und aus dem Kauf von Aktien. Die Bildung des Finanzvermögens durch Aktien muss man für relevanter halten, weil die Banken in den letzten Jahrzehnten die Ersparnisse ihrer Klientel immer mehr zum Kauf von Aktien verwendet haben. Es liegt also nahe anzunehmen, dass die Vorgänge auf den Börsen zur Antwort auf die Frage führen müssten, warum das Finanzvermögen viel schneller als die (realen) Investitionen gestiegen ist. Deshalb werden wir uns im Folgenden genauer anschauen, was an der Börse geschieht und dies noch mit einem Beispiel genauer erklären.
Immer wenn sich ein Unternehmer entschieden hat, Aktien zu emittieren, bedeutet es nichts anderes, als dass es sich einen neuen Geschäftspartner sucht, der auch das Geld mit sich bringt. Normalerweise überlässt ein Unternehmen seine Suche nach einem neuen Partner, also nach Aktienkäufern, einem Finanzdienstleister. Diese nennen sich üblicherweise Investmentgesellschaften - auch Fondgesellschaften oder Kapitalanlagegesellschaften. Wir wollen jetzt genau verfolgen, was diese tun und zwar anhand eines Beispiels. Weil es sich um quantitative Zusammenhänge handelt, bestücken wir unser Beispiel auch mit Zahlen. Um uns lange Ausführungen zu ersparen, stellen wir dieses Beispiel bildlich dar.
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Investment-
gesellschaft |
A |
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Investment-
gesellschaft |
B |
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Investment-
gesellschaft |
C |
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Investment-
gesellschaft |
D |
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Investment-
gesellschaft |
E |
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← 50 Mill. — |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 50 |
+ 40 |
← 40 Mill.— |
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- 10 |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 40 |
+ 30 |
← 30 Mill.— |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 30 |
+ 20 |
← 20 Mill.— |
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- 10 |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 20 |
+ 10 |
← 10 Mill.— |
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- 10 |
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bei Bank A |
bei Bank B |
bei Bank C |
bei Bank D |
bei Bank E |
Obere Bildhälfte:
Am Anfang haben wir also ein Unternehmen, das expandieren bzw. investieren will. Es hätte sich zu diesem Zweck natürlich auch Geld ausleihen, also einen Kredit aufnehmen können. Weil es sich aber nicht verschulden will, sucht es sich neue Anteilseigner. Fachlich ausgedrückt: Das Unternehmen emittiert Aktien. Für die ganze Abwicklung sorgt in unserem Fall die Investmentgesellschaft A. Wir nehmen an, dass diese kein eigenes Geld hat, so dass sie eine Bank A braucht, bei der sie einen Kredit aufnimmt und dafür sämtliche Aktien des Unternehmens kauft. Investmentgesellschaften kaufen aber Aktien nicht für sich, sondern um sie weiter zu verkaufen. In unserem Beispiel verkauft die Investmentgesellschaft A von dem ganzen Aktienpaket 4 Fünftel an die Investmentgesellschaft B, die zu diesem Zweck einen Kredit von der Bank B aufnimmt. Die nächsten Investmentgesellschaften kaufen dann weitere 3, 2 und 1 Fünftel, so wie es in dem Bild dargestellt ist. Am Ende hat jede ein Fünftel der insgesamt emittierten Aktien in ihrem Depot und jede schuldet ihrer Bank genau 10 Mill.
Bemerkung 1: In der Praxis gestalten sich Käufe und Verkäufe natürlich nie so regelmäßig und symmetrisch, wie in unserem Beispiel, aber auch für jede andere beliebige Kombination von Zahlen werden alle unsere Schlussfolgerungen uneingeschränkt gültig bleiben. Dem Leser ist es überlassen, dies nachher selbst zu prüfen. Die Regelmäßigkeit und Symmetrie bei den Zahlen diente in unserem Beispiel nur zu einem Zweck: Unwichtige Details sollen nicht unnötig unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen und uns vom Wesentlichen ablenken. Zum gleichen Zweck werden wir an unserem Beispiel immer nur das Nötigste ändern. Gleich können wir sagen, dass sich in der oberen Hälfte des Bildes nichts ändern wird. Es heißt also, dass die Investmentgesellschaft weiterhin 5, 4, 3, 2 und 1 Fünftel des emittierten Aktienpakets kaufen werden, und am Ende jede von ihnen einen Fünftel der Aktien im Besitz haben wird.
Bemerkung 2: Unser Unternehmen ist offensichtlich eine Fabrik - eine mit einem entsetzlich qualmenden Schornstein. Ein solches Unternehmen wäre heute kein Sympathieträger, und seine Aktien würden nicht als besonders lukrativ gelten. Dass wir uns trotzdem für ein solches unappetitliches Unternehmen entschieden haben, war aber kein Zufall oder Versehen. Wir wollten damit auf eine fast provokative Weise andeuten, dass für die Machenschaften mit den Aktien gar keine besonderen Börsenprodukte nötig sind, wie etwa die sogenannten Wetten oder Derivate. Die Ausplünderung der Aktionäre bzw. der realen Wirtschaft funktioniert genauso gut bzw. schlecht auch mit „klassischen“ Aktien, welche von „richtigen“ Unternehmen emittiert werden, also von solchen, in denen die Beschäftigen „im Schweiße ihres Angesichts“ stoffliche Güter herstellen. Stoffliche Güter genießen nämlich den Ruf, nützlich zu sein, abgesehen von seltenen Ausnahmen wie etwa Gewehre, aber davon sehen wir ab. Damit wird natürlich nicht gesagt, dass nur materielle Güter nützlich sein können. Was zum Beispiel Lehrer, Ärzte und Krankenschwestern „produzieren“ ist nicht weniger unentbehrlich. Unser Beispiel würde genauso gut mit Aktien im Bildungs- und Gesundheitswesen funktionieren, wir haben uns aber trotzdem für eine altmodische Fabrik entschieden, um zu unterstreichen, dass das Finanzsystem auch mit „klassischen“ Anlagen alles anrichten kann, was wir von ihm in der letzten Zeit erlebt haben. Erst wenn wir diesen Beweis erbracht haben, werden wir uns die „innovativen“ Produkte der Finanzwirtschaft anschauen (Zertifikate, Optionen, Futures, Swaps) - im nächsten Beitrag. Wir sind hier nämlich nicht auf der Suche nach Sündenböcken, sondern nach wissenschaftlichen Erklärungen, was im Finanzsystem falsch läuft.
Untere Bildhälfte:
In der Praxis kann man eine Investmentgesellschaft und eine Bank nicht sauber trennen. Wir haben es in unserem Beispiel offensichtlich trotzdem getan, damit keine unnötigen Missverständnisse aufkommen. Wenn also unsere Investmentgesellschaften Geld brauchen, um Aktien zu kaufen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als es sich von „ihrer“ Bank zu leihen. Im ersten Schritt musste sich die Investmentgesellschaft A von der Bank 50 Mill. leihen, die dann gleich unsere qualmende Fabrik bekommt. Das bewirkt ein Minus auf der Passivseite des Kontos der Investmentgesellschaft A. Die weiteren Investmentgesellschaften (B, C, D und E) leihen sich eine nach der anderen, 40, 30, 20 und 10 Mill. Weil durch den Verkauf von Aktien der Erlös auf der Aktivseite der betreffenden Investmentgesellschaften gutgeschrieben wird, ist am Ende jedes Konto 10 Mill. im Minus.
Dieser Verschuldung steht ein Fünftel der emittierten Aktien gegenüber, so dass jede Investmentgesellschaft auch das Recht auf ein Fünftel des Gewinns aus den Investitionen des Unternehmens hat. Von diesem Gewinn, der als Dividende bezeichnet wird, ließe sich eventuell leben, aber das ist nicht das, was die Investmentgesellschaften bevorzugen. Sie behalten die Aktien nicht für sich. Sie heuern Männer (und Frauen) an, deren Anzug und Krawatte gut sitzt, die sympathisch aussehen und nett plaudern können. Nach ein paar Wochen Coaching machen sie aus ihnen „Finanzexperten“, die sie danach als „Finanzberater“ mit Aktien hausieren schicken. Nachdem diese ihre Aufgaben erledigt haben, besitzen die Investmentgesellschaften keine Aktien mehr. Sie können dann bei den Banken ihre Schulden begleichen, aber die Dividenden gehören danach den privaten Aktienbesitzern. Woran können dann die Investmentgesellschaften in der Zukunft verdienen?
Sie würden natürlich als Dienstleister administrative Arbeiten für die Aktienbesitzer erledigen können: ihnen Information über die Aktienkurse zuschicken und die Dividenden auf die Konten der Aktienbesitzer weiter leiten. Der Aktienbesitzer wird also einen Teil seiner Dividende als Gebühr seiner Investmentgesellschaft überlassen, aber davon würden diese mehr schlecht als recht leben können. Dass die märchenhaften Gewinne in den letzten Jahrzehnten bei den Investmentgesellschaften dadurch erzielt worden wären, daran würde doch keiner glauben. Woher diese Gewinne gekommen sind, liefert uns unser Beispiel also - vorerst - nicht. Außerdem bietet es - vorerst - auch keine Erklärung für eine weitere, sehr wichtige Frage: Warum die realen Investitionen so langsam gewachsen sind, also 3 Mal langsamer als das Finanzvermögen? Unser Beispiel kann uns aber doch helfen, diese Fragen zu beantworten.
Wie durch spekulatives Sparen bzw. Aktien „Werte“ aus nichts geschaffen werden
Wie angemerkt, wir wollen das obige Beispiel nur so viel wie nötig abändern. Deshalb soll auch weiterhin gelten, dass die Aktien in der gleichen Reihenfolge und in den gleichen Mengen wie oben verkauft werden, so dass sich die obere Hälfte des Bildes nicht ändern wird. Der Ausgabewert der Aktien des Unternehmers soll auch unverändert sein, also 50 Mill. Dieser ursprüngliche Wert der Aktie wird auch als Buchwert bezeichnet. Wenn man verschiedene kleine Nebenkosten vernachlässigt, entspricht der Buchwert den realen Investitionen bei unserem Unternehmen mit dem qualmenden Schornstein. Was wir jetzt ändern, sind allein die Preise, nach denen die Aktien zwischen den Investmentgesellschaften gekauft und verkauft wurden. Vorhin betrugen die Preise 40, 30, 20 und 10 Mill., jetzt sollen sie jedes Mal steigen. Nehmen wir an, B zahlt jetzt für dasselbe wie vorhin nicht 40, sondern 45, C nicht 30, sondern 40, D nicht 20, sondern 35 und E nicht 10, sondern 30 Mill.
Bemerkung: Nach nur 4 Transaktionen sind die Preise von 50 auf 150 Mill. gestiegen, was 200% beträgt. Das ist unglaublich viel, auch wenn man in Betracht zieht, dass auf den Börsen immer wieder sehr merkwürdige Dinge passieren. Dem nachdenklichen Leser würde es nicht schwer fallen zu erraten, warum wir in unserem Beispiel eine dermaßen drastische Dynamik vorausgesetzt haben: Damit das Ergebnis etwa den statistischen Daten entspricht, welche die Graphik am Anfang dieses Beitrags wiedergibt. Zum gleichen Endergebnis würde man natürlich auch mit deutlich kleineren Preissteigerungen gelangen, man bräuchte dann nur die Zahl der Schritte (Transaktionen) entsprechend zu erhöhen. Dann würde das Beispiel der üblichen Praxis auf dem Börsenparkett entsprechen. Nebenbei gemerkt, die kleinen unauffälligen Schritte, kombiniert mit ständiger Umstrukturierung der Aktienpakete - das Letztere nennt man Innovationen - sorgten schon immer dafür, dass das Geschehen auf dem Börsenpaket dem externen Beobachter nicht nachvollziehbar ist. In der letzten Zeit haben die neuen Computer- und Informationstechnologien diese Dynamik erheblich beschleunigt, so dass sich das Finanzsystem der gesellschaftlichen Kontrolle völlig entzogen hat.
Wie vorhin besitzt auch jetzt jede Investmentgesellschaft am Ende ein Fünftel der Aktien, aber auf den Konten ihrer Banken hat sich viel geändert. Diese Konten stehen in der unteren Hälfte des vorigen Bildes, so dass wir jetzt nur sie darzustellen brauchen.
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Investment-
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A |
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Investment-
gesellschaft |
B |
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Investment-
gesellschaft |
C |
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Investment-
gesellschaft |
D |
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Investment-
gesellschaft |
E |
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← 50 Mill. — |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 50 |
+ 45 |
← 45 Mill.— |
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- 5 |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 45 |
+ 40 |
← 40 Mill.— |
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- 5 |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 40 |
+ 35 |
← 35 Mill.— |
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- 5 |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 35 |
+ 30 |
← 30 Mill.— |
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- 5 |
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bei Bank A |
bei Bank B |
bei Bank C |
bei Bank D |
bei Bank E |
Alle Investmentgesellschaften zusammen genommen schulden auch diesmal den Banken 50 Mill. aber die Schulden sind anders verteilt. (Bei anderen Zahlen wären sie anders verteilt.) Jetzt hat aber jede in ihrem Portfolio Aktien, deren Börsenwert auf 30 Mill. gestiegen war. Nun schickt jede Investmentgesellschaft - nach wie vor - ihre „Finanzberater“ zu hausieren, um die Aktien mit diesen neuen Preisen den privaten Personen zu verkaufen. Nachdem ihnen dies gelungen ist, sind auf dem Konto bei jeder Investmentgesellschaft 30 Mill. gutgeschrieben. Wir vervollständigen das vorige Bild mit diesen Buchungen.
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Investment-
gesellschaft |
A |
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Investment-
gesellschaft |
B |
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Investment-
gesellschaft |
C |
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Investment-
gesellschaft |
D |
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Investment-
gesellschaft |
E |
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← 50 Mill. — |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 50 |
+ 45 + 30 |
← 45 Mill.— |
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+ 25 |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 45 |
+ 40 + 30 |
← 40 Mill.— |
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+ 25 |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 40 |
+ 35
+ 30 |
← 35 Mill.— |
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+ 25 |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 35 |
+ 30 + 30 |
← 30 Mill.— |
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+ 25 |
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PASSIVA |
AKTIVA |
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- 30 |
+ 30 |
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0 |
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bei Bank A |
bei Bank B |
bei Bank C |
bei Bank D |
bei Bank E |
Jede Investmentgesellschaft kann jetzt ihre Schulden zurückzahlen und jede - außer der letzten - hat schon verdient: eigentlich sehr viel verdient. Der Börsenwert der Aktien ist in unserem Fall auf 150 Mill. gestiegen, er ist also jetzt 3 Mal größer als der Wert der Kapitalerweiterung in der realen Wirtschaft, so dass wir zu dem Verhältnis gekommen sind, das etwa dem zwischen dem Finanzvermögen der Weltwirtschaft und ihrem Sozialprodukt entspricht. Der Leser kann die Zahlen beliebig variieren und dann würde er andere Verhältnisse bekommen. Damit ist im Prinzip erklärt, auf welche Weise sich das Missverhältnis zwischen dem Finanzvermögen und dem Weltsozialprodukt in den letzten Jahrzehnten ausbilden konnte.
Die 150 Mill., die der Aktienverkauf gebracht hat, stammen aus den „echten“ Einkünften der realen Wirtschaft. Weil davon 50 Mill. in die reale Wirtschaft fließen und zu realen Investitionen werden, sind die restlichen 100 Mill. reine Gewinne der Investmentgesellschaften. Damit ist die Frage beantwortet, woher ihre Gewinne stammen, nämlich aus den weit über den realen Preis verkauften Aktien. Noch anders gesagt:
„Die Gewinne der Investmentgesellschaften sind aus der realen Wirtschaft abgezockte Einkünfte.“
Damit ist auch eine weitere wichtige Frage beantwortet:
„Diese Gewinne sind die Ursache, warum die realen Investitionen in den letzten Jahrzehnten so langsam gewachsen sind - wenn überhaupt. Die Investmentgesellschaften haben die Ersparnisse nicht in Investitionen weitergeleitet, sondern diese als eigene Gewinne abkassiert.“
Die Aktienbesitzer sind regelrecht ausgeplündert, sie meinen aber, sie seien reich, weil der Preis der Aktien weiter steigt, aber gerade wenn er steigt, sind sie immer ärmer. Dem steigenden Aktienwert entspricht nämlich immer der gleiche reale Wert (50 Mill.). Wenn dann irgendwann die Börse zusammenbricht, wird dies schlagartig zur Gewissheit. Nur die wenigen Aktionäre, die kurz davor abgesprungen sind - weil sie etwa an einen guten Astrologen geraten sind oder aus anderen Gründen -, hatten wirklich gewonnen, alle anderen sind große Verlierer.
Wie ein gigantisches Pyramidenspiel ganz legal und völlig straffrei organisiert werden kann
Wie wir gerade festgestellt haben, hat der Gewinn der Investmentgesellschaften mit der Differenz zwischen dem Börsenwert und dem Buchwert der Aktie zu tun: je größer diese Differenz wird, desto höher kann der Gewinn sein. Bemächtigen sich skrupellose Menschen dieser Gesellschaften, dann versuchen sie mit allen Mitteln den Preis der Aktien immer weiter nach oben zu treiben. Mit allen? Nein. Kriminelle Mittel, wie etwa Geldunterschlagungen, Manipulationen bei der Buchführung, Bilanzfälschungen, verbotene Weiterreichung von Insider-Informationen und Ähnliches würden sie in der Regel den dummen kleinen Teufeln überlassen, die dann höchstwahrscheinlich in den Knast gehen würden. Die intelligenten skrupellosen Menschen, die ganz großen Teufel, würden in einer Marktwirtschaft und in einem Rechtsstaat - wovon wir ausgehen - nicht gegen Gesetze verstoßen wollen. Sollten bestimmte Gesetze ihren bösen Absichten im Weg stehen, würden sie dafür sorgen, dass diese geändert oder abgeschafft werden. Auch dabei werden sie legale Mittel bevorzugen. Davon, dass dies auch mit dem heutigen Finanzsystem der Fall war und ist, zeugt die Tatsache, dass es nach der so genannten Finanzkrise im Herbst 2008 kaum Schuldige mit bekannten Namen gab, die sich wegen Verstößen gegen das Gesetz verantworten mussten. Alles was geschah, war offensichtlich juristisch einwandfrei eingefädelt. Das kann in der Tat nicht verwundern, da ziemlich alle gesellschaftlichen Positionen in unserer Gesellschaft, die Macht, Ansehen und Geld bringen, von Menschen besetzt wurden, die selbst Juristen sind oder durch eine Schar von Juristen unterstützt werden.
Die Juristen können natürlich nicht Gesetze alleine so ändern, um dann im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit ihre kriminellen Machenschaften zu betreiben. Dazu braucht man korrupte Politiker, was sich offensichtlich nicht als ein besonderes Problem erwiesen hat - dazu sagen wir später noch etwas. Im Prinzip war da kaum mehr zu tun, als die Wirtschaft und das Finanzsystem von den Vorschriften, welche die Anleger schützten, abzubauen. Nichts Anderes waren die so genannten Reformen in den letzten drei Jahrzehnten. Die uneingeschränkte ökonomische Freiheit, so wie sie von der neoliberalen Theorie gepredigt wird, bedeutet im Grunde die Herrschaft des Volkes durch die Herrschaft des Marktes zu ersetzen. Wenn das einzige Recht darin besteht, dass der Einzelne vollständig frei ist, nach dem angebotenen Preis zu kaufen oder es nicht zu tun, hat man allen Manipulationen und Betrügereien Tür und Tor geöffnet. Als sich die Banken und Börsen dieses Recht - dank der korrupten Politiker - erkämpften, konnte die unbeschränkte Ausplünderung der Bürger, das größte Schneeballsystem oder Pyramidenspiel in der Geschichte beginnen.
Die neoliberalen Theoretiker würden bestreiten, die Anbieter könnten einfach so die Preise hochtreiben. Ganz einfach ist das in der Tat nicht, aber möglich schon. Die erste Voraussetzung dafür wäre, dass die Banken und Börsen vor allem die Möglichkeit bekommen, ihre Geschäfte intransparent zu machen. Dafür sorgt die so genannte ökonomische Freiheit - die Freiheit von einer demokratischen Kontrolle. Mit ständigem Kauf und Verkauf der Aktien konnte man dann diese Intransparenz erreichen, indem man mit ganz kleinen Schritten die im Endergebnis große Preistreiberei verschleierte. Mit wenigen und großen Schritten, wie in unserem Beispiel, wo die Investmentgesellschaften A, B, C, D und E den Preis der Aktien bei jeder Transaktion um 5 Mill. (45, 40, 35 und 30 Mill.) steigen ließen, ginge es natürlich nicht, aber das war nur ein hypothetisches Beispiel für eine bessere Veranschaulichung. Eine weitere Voraussetzung müsste unbedingt noch erfüllt sein, damit das böse Spiel richtig funktioniert: Die Schurken und Ganoven in den Banken und Börsen müssten sich gegenseitig vertrauen. „Wenn es eine Gesellschaft zwischen Räubern und Mördern gibt - stellte schon Adam Smith fest - dann müssen sie sich wenigstens des Raubens und Mordens untereinander enthalten.“ Der große Philosoph und Freund von Smith, David Hume, hat dazu das Gleiche gesagt: „Räuber und Piraten könnten, wie oftmals bemerkt wurde, ihre verderbliche Verbindung nicht aufrechterhalten, wenn sie nicht unter sich eine neue distributive Gerechtigkeit einführten und sich jener Gesetze der Fairneß erinnerten, die sie gegenüber dem Rest der Menschheit verletzen.“ Schauen wir uns die wichtigsten Gründe dafür an, warum dieses Vertrauen bzw. Fairness zwischen den Räubern in den Investmentgesellschaften vorhanden sein dürfte.
Stellen wir zuerst fest, dass die Zahl der relevanten Investmentgesellschaften überschaubar ist. Diese, auf den ersten Blick unverdächtigte Tatsache ist aber entscheidend. Die gemeinsamen Interessen lassen sich nämlich leichter durchsetzen, wenn die Gruppe eine bestimmte Größe nicht übersteigt. Das ist schon Aristoteles aufgefallen, und er hat dazu auch eine Erklärung geliefert: Bei einer kleineren Mitgliederzahl sei es viel einfacher, Strategien geheim zu halten und damit gemeinsame Interessen zur Geltung zu bringen, als dies bei großen Organisationen möglich wäre. In unserem Fall müsste die Preistreiberei mit den Aktien auch geheim bleiben, weil sie sonst strafbar wäre. Die bösen Chefs der Investmentgesellschaften müssen sich gegenseitig vertrauen, weil sie ihre Machenschaften mit keinen vertraglichen Vereinbarungen absichern könnten, um zu verhindern, dass einer den anderen über den Tisch zieht. Alles müsste auf der Grundlage des Gentlemen’s Agreement funktionieren. Der berühmte Soziologe Max Weber sprach vom „Vorteil der kleinen Zahl“. Später, in der Theorie des kollektiven Handelns wurde diese Problematik umfangreich untersucht, und es hat sich in der Tat bestätigt, dass „je größer die Gruppe ist, um so weniger wird sie in der Lage sein, die optimale Menge eines Kollektivgutes bereitzustellen“.
Der Vorteil der „kleinen Zahl“ liegt auch darin, dass man sich kennt. Auch dies trifft auf das leitende Personal der Investmentgesellschaften zu. Zu diesem Personal gehören alte Bekannte, die im Wesentlichen zu den alten reichen Familien (Dynastien) gehören oder zu ihrer vertrauten Umgebung. Da kennt man sich schon seit der Kindheit, schon die Eltern waren unter sich befreundet, die dann ihre Kinder und Jugendlichen mit sich auf gemeinsame Besuche, Feiern und Veranstaltungen geschleppt haben. Das ist die seit Jahrtausenden praktizierte Maßnahme der Reichen und Mächtigen um zu erreichen, dass ihr Nachwuchs unter sich bleibt und sich nicht mit dem „gemeinen Volk“ mischt. Die teuren privaten sogenannten Eliteuniversitäten sind dann die nächste Stufe zur Trennung der Sprösslinge der Reichen und Mächtigen von dem Rest der Gesellschaft. So schreibt der Nobelpreisträger für Ökonomie Paul Krugman:
„Harvard ist heute (ähnlich wie schon im 19. Jahrhundert) eine eher gesellschaftliche denn wissenschaftlich-bildungsbürgerliche Einrichtung - ein Ort für die Kinder der Wohlhabenden, an dem sie soziale Umgangsformen lernen und innerhalb ihrer Schicht Kontakte knüpfen können.“
Wir können dazu noch anmerken, dass die Amerikaner schon immer sehr geschickt waren, diese Tatsache zu maskieren. Ihre Universitäten bieten bekanntlich Stipendien für wirklich begabte arme Kinder, die für den guten Ruf dieser Anstalten sorgen, so dass es dann auch ohne Gefahr möglich wird, auch größte Strohköpfe mitzuschleifen. Bush jun. kann als gutes Beispiel dienen. Er kam auf ein exklusives Internat in New England, nur weil sein Name Bush lautet. Er konnte bessere Studenten ausstechen, die zwölf Jahre hart gearbeitet hatten, um eine Zulassung für Yale zu bekommen, weil er Bush heißt. Auf die gleiche Art kam er auch an die Harvard Business School. Außerdem hat es seine Chancen nicht wesentlich geschmälert, dass er dreimal verhaftet wurde, seinen Wehrdienst nicht ableisten musste, ... weil sein Name ...
Schon diese kurze Erörterung der Umstände, in welchen die Investmentgesellschaften agieren, lässt keine Zweifel aufkommen, dass es für sie kein Problem sein könnte, die Aktien untereinander immer teurer zu verkaufen. Das alleine würde ihnen natürlich noch nichts bringen. Erst nach dem Verkauf der so überteuerten Aktien an private Personen gibt es Gewinne. Man müsste also die potenziellen Käufer über den wahren (realen) Wert der Aktien täuschen. Und das ist nicht einfach. Die Investmentgesellschaften würden dazu Unterstützung brauchen. Sie könnten Dienstleistungsunternehmen gründen, die sich als unabhängige Analytiker der Wertpapiere ausgeben würden, die aber nichts anderes tun sollten, als den Handel auf der Börse mit verschiedenen Spitzfindigkeiten begleitend zu versorgen, um die Preissteigerungen zu rechtfertigen. Man nennt diese Dienstleister Ratingagenturen. Nach der „Finanzkrise“ im Herbst 2008 hat man sich diese Agenturen genauer angeschaut und ist zu haarsträubenden Erkenntnissen gelangt.
Rein formal betrachtet, zahlten die Investmentgesellschaften Gebühren, um im Gegenzug Ratings für ihre Produkte zu erhalten. Kommt einem das nicht seltsam vor? Wie kann eine objektive Prüfung - horrible dictu - möglich sein, wenn der Geprüfte den Prüfer bezahlt und ihm bei negativen Ergebnissen sogar mit dem Entzug des Prüfungsauftrags drohen kann? Im Abschlussbericht der US-Kommission zum Finanzcrash 2008 (FCIC), die zwei Jahre geforscht hat, wird festgestellt, dass ohne die „Gütesiegel“ der Ratingagenturen die Zockerei an den Finanzmärkten bei weitem nicht so bedrohliche Ausmaße erreicht hätte. Die Kommission stellte sogar fest, dass Rechenmodelle für die falschen Bewertungen von Wertpapieren teils „frei erfunden“ gewesen seien. „Unser Geschäft war es, Gebühren zu verdienen und sicherzustellen, dass wir irgendwie abgesichert waren, falls der Markt einen Abschwung erlebte“, zitiert die FCIC Michael Lamont, damals bei der Deutschen Bank für CDOs verantwortlich und seit 2008 Portfolio-Manager bei der Investmentfirma Seers Capital.Auf den Punkt gebracht: Alles war nur Marketing und Lobbyarbeit im Dienste des Betrugs.
Haben wir aber durch diese Kommission etwas wirklich Neues erfahren? Kaum. Was für eine Kompetenz sollte bei den Ratingagenturen vorhanden sein, wenn alles, was sich im Herbst 2008 als faul erwiesen hat, unmittelbar davor von diesen Ratingagenturen mit Prädikaten bewertet wurde? Sämtliche von den Steuerzahlern geretteten Banken veröffentlichten nur wenige Wochen bis Tage vor dem Eingeständnis ihres Zusammenbruchs Jahresabschlüsse mit uneingeschränkten Testaten. Da würde ein ökonomischer Laie jetzt erstaunt fragen, ob in diesen Agenturen seriöse Wirtschaftswissenschaftler nichts zu sagen hätten. Aber natürlich. Sogar die höchste Prominenz. Ein Beispiel: Vor nicht allzu langer Zeit (1997) erhielten Robert Merton und Myron Scholes für ihre Arbeiten zur Bewertung von Optionsscheinen und anderen Finanzderivaten den Nobelpreis. Danach gründeten sie einen eigenen Hedge-Fonds („Long Term Capital Management“), der eine nach ihren Theorien ausgeklügelte Anlagestrategie verfolgte. Sie spekulierten also genau nach der eigenen Finanztheorie, und nach dieser Theorie haben sie auch alles verloren. Nach einem Jahr brach der Hedge-Fonds mit seinen mehr als fünf Milliarden „wissenschaftlich“ investierten Dollars zusammen. Wen soll dann noch wundern, dass der Nobelpreis für Wirtschaft umstritten ist. Seit den neunziger Jahren fordern die Nobel-Urenkel seine Abschaffung. Das ist schon deshalb berechtigt, weil dieser Nobelpreis nicht wie die anderen fünf auf das Testament von Nobel zurückgeht. Als ob Nobel etwas geahnt hätte.
Korrupte Politiker als Handlanger der verbrecherischen Finanzmärkte
Heben wir noch einmal hervor, dass der Markt der Wertpapiere nahezu dem „perfekten“ Markt aus der neoliberalen Theorie entspricht. Die Börsen dürfen alles verkaufen, was einen Käufer findet. Dass die anderen Märkte bei Weitem nicht so frei sind, liegt auf der Hand. Kann man zum Beispiel in der Nahrungsindustrie verdorbene Produkte anbieten und den Käufer für den Kauf bzw. die Folgen verantwortlich machen? Nein, das geht bekanntlich nicht. Können die Pharmaunternehmer gesundheitsschädliche Medikamente anbieten, weil man dem Käufer angeblich nicht die Freiheit nehmen dürfe, zu kaufen was er wolle? Auch das geht nicht. Wir finden keinen Produktionsbereich in der realen Wirtschaft, wo es keine gesetzlichen Vorschriften gibt, die den Kunden schützen. Diese Märkte sind nach der neoliberalen Auffassung nicht frei, auf jeden Fall nicht annähernd so frei wie der Markt der Wertpapiere.
Woher kommt es, dass es für alle Märkte mehr oder weniger reglementierende Gesetze gibt, für den Markt der Wertpapiere kaum welche? Wie bereits erwähnt, die Investmentgesellschaften bzw. ihre Juristen konnten dies nicht von alleine so einrichten. Was Gesetz sein soll und wie es im Detail auszusehen hat, darüber entscheiden in den westlichen parlamentarischen Demokratien die Volksabgeordneten, also die Politiker. Diese haben aber Jahrzehnte lang der Plünderung der Bürger durch das Finanzsystem zugeschaut, eigentlich haben sie dafür sogar fleißig gesetzliche und andere günstige Bedingungen geschaffen. Wir prüfen jetzt kurz, wie so etwas in unserem politischen System der parlamentarischen Demokratie möglich sein konnte.
Die Politiker in der westlichen parlamentarischen Demokratie sind nicht verpflichtet zu tun, was sie den Wählern oder den Parteimitgliedern versprochen haben oder was diese sich wünschen. Man sagt dazu auch, dass sie kein imperatives Mandat haben, sondern sie seien nur ihrem Gewissen verpflichtet. Es ist ihnen aber strafgesetzlich verboten, irgendwelche Dienste für Interessengruppen zu verrichten und von diesen irgendwelche Geschenke und Geld zu erhalten. Nur sehr ungeschickte, naive oder gar dumme Politiker würden dieser Versuchung nicht widerstehen, den intelligenten kann es klar sein, dass sie gegen dieses Gesetz gar nicht zu verstoßen bräuchten. Sie können trotzdem Interessengruppen dienen und von ihnen adäquat entlohnt werden. Es ist gar kein Geheimnis, wie sich das bewerkstelligen lässt.
Den Politikern ist nicht verboten, dass sie in ihrer freien Zeit noch nebenbei in der Wirtschaft sozusagen jobben. So können die Investmentgesellschaften Politiker zu sich (etwa zum Kaffe) einladen und sie vorgeblich für ihre „wertvollen“ Ratschläge, Referate und Berichte, die diese mit sich bringen würden, reichlich entlohnen. Erwähnen wir auch noch, dass in manchen Ländern solche Nebeneinkünfte nicht genau veröffentlicht werden müssen, in Deutschland ist dies auch der Fall. Unser Transparenz-Gesetz verlangt nämlich nicht, dass die Abgeordneten jede Tätigkeit und alle Nebeneinkünfte genau spezifizieren, sondern es reicht schon, wenn sie sie einer der drei Stufen zuordnen. Stufe 1: 1.000 bis 3.500 Euro, Stufe 2: 3.500 bis 7.000 Euro und die Stufe 3: über 7.000 Euro. Eine komplette Liste für deutsche Abgeordnete hat zum Beispiel Der Spiegel am 5. Juni 2007 veröffentlicht.Wenn man etwa bei dem bekannten sozialdemokratischen Rentenreformer Walter Riester die Nebeneinkünfte zusammenzählt, die er innerhalb von 12 Monaten für verschiedene Beratungen und Vorträge - vor allem bei den Versicherungen - kassierte, bekommt man für die Stufen 1, 2 und 3 sukzessiv die Zahlen 1, 6 und 19. Man sieht, da hat jemand nicht gekleckert, sondern richtig geklotzt. Zusammengezählt ergeben sich daraus für ihn minimal 155.000 Euro, das Maximum kann beliebig hoch liegen.
Den Politikern ist bekanntlich auch nicht verboten, dass die Wirtschaft oder der Finanzsektor ihren Freunden und Verwandten hilft oder ihnen irgendwelche gute Positionen anbietet. Natürlich muss dies geheim bleiben: als Gentlemen’s Agreement. Sogar die Politiker selbst können, nach einer bestimmten (Karenz-)Zeit, nachdem sie die Politik verlassen haben, in der Wirtschaft irgendwelche Positionen bzw. Sinekuren bekommen. Als Beispiel nennen wir zwei bekannte Namen: Wolfgang Clement von der SPD und Roland Koch von der CDU.
Es liegt also auf der Hand, dass das politische System der westlichen parlamentarischen Demokratie nicht verhindern kann, dass Politiker nicht dem Volk, sondern kleinen Gruppen dienen. Die praktischen Ergebnisse tragen dem Rechnung: Sie sind so, weil sie anders nicht sein können. Die rücksichtslosen und selbstsüchtigen Menschen in der Politik haben sich mit rücksichtslosen und selbstsüchtigen Menschen im Finanzsystem verkuppelt, um sich durch die Plünderung der Sparer und die Schädigung der realen Wirtschaft zu bereichern. Die Rolle der Politiker bestand zum einen darin, für die Finanzwirtschaft einen nahezu perfekten, also den praktisch ohne Gesetze freien Markt zu schaffen, und zum anderen den sanften Druck auf die Bürger auszuüben, sich am bösen Spiel der Börsen zu beteiligen. Was das letztere betrifft, ist folgendes gemeint:
Die Wertpapiere haben sich in den letzten Jahrzehnten nicht einfach deshalb so gut verkauft, weil die Lust der Menschen daran aus irgendwelchen mysteriösen Gründen immer weiter gestiegen ist. Es ist die Folge vieler neoliberaler Maßnahmen, der sogenannten „Reformen“ zur Zerschlagung der staatlich organisierten solidarischen Sicherheitssysteme. Den Menschen blieb dann nichts anderes übrig, als sich privat gegen die immer weiter steigenden Unsicherheiten der immer schlechter funktionierenden freien Marktwirtschaft zu versichern. Das beste Beispiel ist die Privatisierung des Rentensystems. Sie war kein spontan gestiegenes Vertrauen der Bürger in Börse und Privatwirtschaft, im Gegenteil. Die Bürger waren einer aggressiven Propaganda durch alle Medien ausgesetzt und die „reformwilligen“ Politiker und all die verschiedenen Experten haben sich alle Mühe gegeben die „ewig Gestrigen“ Marktskeptiker zu überzeugen. Es ist nicht uninteressant, die Slowakei zu erwähnen, ein postkommunistisches Land, in dem es möglich wurde die staatliche Rente fast vollständig zu privatisieren. Nach den besten Manieren der früheren kommunistischen Propaganda über die „leuchtende Zukunft“, haben die privaten Rentenversicherer das Land mit Werbespots beklebt, auf denen nicht weniger als „schweizerische Renten“ versprochen wurden. Und mit dieser dreisten Lüge waren sie erfolgreicher als anderswo in Europa. Schon nach der sogenannten Finanzkrise konnte man aber merken, dass man gar nicht schlecht beraten wäre, wenn man das Geld auf dem Sparbuch gelassen hätte. Die weitsichtigeren konnten schon ahnen, dass die Pensionsfonds nur ein extrem teures Schnellballsystem oder Pyramidensystem sind. Dazu mehr im nächsten Beitrag.
Beilage: Wo sind die Gewinne der Banken- und Börsenprofiteure geblieben?
Zusammenfassend können wir also sagen, dass hinter den gewaltigen Gewinnen des Finanzsystems kein Mysterium steht - eigentlich nicht einmal irgendeine neue Idee. Es handelt sich nur um ein schon vor Jahrhunderten und Jahrtausenden bekanntes Rezept: Billig kaufen, teuer verkaufen. Dieses wurde einfach auf Wertpapiere angewandt. Wo aber sind die riesigen Gewinne letztendlich verblieben? Was haben die Plünderer der Gesellschaft mit ihrer Beute gemacht?
• Die Reichen sind bekanntlich maßlos und sie pflegen einen ausschweifenden Lebensstil. Schon das kostet Unsummen.
• Ohne korrupte Politiker wäre die Ausplünderung der Aktionäre und Sparer nicht möglich. Diese mussten auch an der Beute beteiligt werden.
• Große Gewinne benötigen immer raffinierte moralische und ideologische Rechtfertigungen. Das verlangt, dass konservative und neoliberale Stiftungen, Think-Tanks und Bildungseinrichtungen begründet und finanziert werden, wo sich auch die prominentesten Experten, Professoren und Wissenschaftler geistig prostituieren, die dafür reichlich entlohnt werden wollen.
• Das Geld ist aber der flüchtigste Reichtum, den es gibt. Bei den Währungsreformen, die es immer wieder gibt, ist das Geld ganz weg. Schon die Inflation ist eine sehr schädliche Sache. Das Gold lässt sich zwar zum Geld konvertierten, aber dann schafft es keine Gewinne. Deshalb ist auch heute, nach mehreren Jahrtausenden, der Besitz der natürlichen Ressourcen und realen Produktionsmittel immer noch die sicherste Form des Reichtums. Nach dem Zusammenbruch der freien Marktwirtschaft während der Großen Depression bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg war aber vieles davon nationalisiert, die Rücksichtslosen und Selbstsüchtigen wollen dies aber wieder privat besitzen. Auf eine illegale Weise ging es jedoch nicht, nur im Rahmen der gültigen Gesetze. Für diese haben dann die korrupten Politiker gesorgt. Was dem Staat und der Allgemeinheit gehörte, wurde legal verkauft bzw. verschleudert, bezahlt wurde vornehmlich aus den Gewinnen des Finanzsektors. Der Finanzsektor war also der Hebel für die Enteignung der Völker in den letzten Jahrzehnten, eine der größten in der ganzen Geschichte des westlichen Kapitalismus.
• Indirekt hat das Finanzsystem auch mit unseren Staatsschulden etwas zu tun. Zu den übelsten Lügen in den letzten Jahrzehnten gehörte nämlich die Behauptung, durch niedrigere Steuern würden Wachstum und Beschäftigung steigen. Das einzige was dadurch gestiegen ist, waren die Staatsschulden. Die Steuersenkungen haben Löcher in den Staatshaushalt gerissen, so dass die Politiker das, was sie zuvor als Steuern von den Reichen umsonst bekommen haben, sich von diesen ausleihen mussten, aber nicht umsonst. Dafür mussten Zinsen bezahlt werden. Diese Zinsen sind der negative Saldo der Steuersenkungen, für die dann weitere Staatsanleihen nötig sind, die eine weitere Möglichkeit für die Anwendung von Gewinnen aus der Finanzwirtschaft geschaffen haben und so geht es immer weiter.
Aber wie dem auch sei, das Geld aus dem Einkommen der realen Wirtschaft ist endgültig weg. Die einfachen Sparer und die einfachen Aktieneinkäufer waren betrogen und ausgeplündert, ohne dass dabei etwas Illegales getan wurde. Noch einmal hat sich bestätigt, dass im Konflikt zwischen der Legalität (Klassenjustiz) und der Legitimität (Gerechtigkeit) die letztere immer unterliegt - von den Ausnahmen wie Umstürze und Revolutionen einmal abgesehen.
Während der Finanzkrise 2008 wurde auch noch etwas sichtbar, dass nämlich der liberale Staat nur dann jämmerlich schwach ist, wenn es um die Besteuerung der privaten Gewinne geht, er ist aber unglaublich stark, wenn etwa Verluste der Reichen vergesellschaftet werden sollen. Dann reagiert er auch schneller als man denken kann, wie wir es bei der Spannung der „Finanz-Schirme“ erlebt haben: Willkommen in der Weimarschen Notverordnungs-Demokratie! Wie Recht hatte also Marx, wenn er behauptete, dass der Staat immer im Besitz der herrschenden Klasse ist.
Ein aufschlussreiches Video zum behandelten Thema |
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