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      Wie unsere Machteliten ihre Kritiker als Verschwörungstheoretiker diffamieren | 
   
   
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      Warum die Bürger Verschwörungen finden, wenn sie nach Ursachen suchen  | 
   
  
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       Ein Gastartikel       | 
   
  
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    Unkenntnis der entfernten Ursachen bewirkt, dass man alle Ereignisse den unmittelbar wirkenden Ursachen zuschreibt, weil man keine andere sieht. Ist man mit den Ursachen der Dinge nicht bekannt, so entsteht daran Leichtgläubigkeit, die oft so weit geht, dass man auch sogar Unmögliches glaubt.  | 
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    Thomas Hobbes, bekannter englischer Staatstheoretiker und Philosoph    | 
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  In  Gesellschaften ohne Meinungs- und Redefreiheit konnten (und können) die  Machteliten ihre Kritiker zum Schweigen bringen, ohne sich mit ihren Vorwürfen  auseinanderzusetzen. In den westlichen demokratischen Gesellschaften geht das  glücklicherweise nicht, so dass man die Kritiker irgendwie verleumden und  herabsetzen muss. Das Wort Verschwörung war schon immer negativ besetzt. Alle  geheim vorbereiteten Aktivitäten gegen die herrschende Ordnung nennt man  Verschwörung und die Rebellen und Revolutionäre werden immer wieder als  Verschwörer bezeichnet. In der Geschichte war für die Herrschenden natürlich  immer die Ordnung, in der sie Macht und Privilegien genossen, die beste aller  möglichen Ordnungen, so dass sie die „Verschwörer“ als böse oder psychisch  gestörte Menschen sehen wollten. Diesen Menschen wurde und wird auch heute  vorgeworfen, dass sie die Realität falsch wahrnehmen und deuten, deshalb würden  sie nur Unheil anrichten. Die „Verschwörer“ sähen alles etwas zu einfach, so  dass sie keine Lösungen anbieten könnten, sondern selbst ein Problem seien. Wir  konnten auch feststellen, dass dieser Vorwurf auch oft gegen diejenigen  gerichtet ist, die selbständig denkende und gut ausgebildete Menschen sind, die  sachlich und schlüssig ausgearbeitete Alternativen entwerfen. Hier wurden der  Zynismus und die Verlogenheit derjenigen sichtbar, die die Kritiker der  Verhältnisse sofort als Verschwörer bezeichnen. Trotzdem ist der Vorwurf, die  Verschwörungstheorien sähen bzw. deuteten etwas falsch, und sie vereinfachten  die Problematik, durchaus berechtigt. Aber das gilt eben nur für echte  Verschwörungstheorien, nicht für ernsthafte Analysen, die sich um Objektivität  bemühen. Leider gibt es von letzteren stets nur sehr wenige.  Verschwörungstheorien gibt es dagegen reichlich, und sie erleben in schlechten  Zeiten eine wahre Blüte. Das hat damit zu tun, dass Menschen, die sich sonst  keine Gedanken darüber gemacht haben, wie Gesellschaft und Wirtschaft  funktionieren, plötzlich deren Probleme lösen wollen. Das sehen wir uns genauer  an. 
   
Die Verdummung der Menschen durch Arbeitsteilung und Medienkonsum 
  
  Bis vor wenigen Jahrtausenden  lebten alle Menschen so, wie es heute noch die so genannten Naturvölker tun.  Das bedeutet, eine überschaubare Gruppe von Menschen (Stamm) lebt vom Jagen und  Sammeln, Arbeitsteilung gibt es nicht. Prinzipiell beherrscht jeder alle  Aufgaben, die für das Leben des Stammes wichtig sind. Jeder ist also kompetent  genug, über alle Sachfragen mit zu entscheiden. Das änderte sich mit der  Erfindung des Ackerbaus. Von nun an wurden die Menschen zum einen sesshaft und  zum anderen immer mehr. Die Gruppe in der man lebte, wurde immer  unübersichtlicher und anonymer. Nach und nach teilten die Menschen die  anfallenden Arbeiten unter sich auf, jeder spezialisierte sich auf eine  bestimmte Tätigkeit, Berufe entstanden. So war es bald zum ersten Mal der Fall,  dass kein Mensch bei der Herstellung eines Produkts von der Beschaffung der  Rohstoffe bis zum Endergebnis dabei war. Mit weiterem Bevölkerungswachstum und  fortschreitender Arbeitsteilung verlor der Einzelne immer mehr den Überblick und  damit die Möglichkeit, über alle Sachfragen seiner Gesellschaft eine fundierte  Meinung haben zu können. Das hat Adam Smith schon vor fast zweieinhalb Jahrhunderten genau  erkannt: 
  
    „Mit fortschreitender Arbeitsteilung wird die Tätigkeit der überwiegenden Mehrheit derjenigen, die von ihrer Arbeit leben, also der Masse des Volkes, nach und nach auf einige wenige Arbeitsgänge eingeengt, oftmals auf nur einen oder zwei. Nun formt aber die Alltagsbeschäftigung ganz zwangsläufig das Verständnis der meisten Menschen. Jemand, der tagtäglich nur wenige einfache Handgriffe ausführt, die zudem immer das gleiche oder ein ähnliches Ergebnis haben, hat keinerlei Gelegenheit, seinen Verstand zu üben. Denn da Hindernisse nicht auftreten, braucht er sich auch über deren Beseitigung keine Gedanken zu machen. So ist es ganz natürlich, daß er verlernt, seinen Verstand zu gebrauchen, und so stumpfsinnig und einfältig wird, wie ein menschliches Wesen nur eben werden kann. Solch geistige Trägheit beraubt ihn nicht nur der Fähigkeit, Gefallen an einer vernünftigen Unterhaltung zu finden oder sich daran zu beteiligen, sie stumpft ihn auch gegenüber differenzierten Empfindungen, wie Selbstlosigkeit, Großmut oder Güte, ab, so daß er auch vielen Dingen gegenüber, selbst jenen des täglichen Lebens, seine gesunde Urteilsfähigkeit verliert. Die wichtigen und weitreichenden Interessen seines Landes kann er überhaupt nicht beurteilen, und falls er nicht ausdrücklich darauf vorbereitet wird, ist er auch nicht in der Lage, sein Land in Kriegszeiten zu verteidigen. Ein solch monotones Dasein erstickt allen Unternehmungsgeist und verleitet ihn, das unstete, ungewisse und abenteuerliche Leben eines Soldaten mit Widerwillen zu betrachten. Selbst seine körperliche Tüchtigkeit wird beeinträchtigt, und er verliert die Fähigkeit, seine Kräfte mit Energie und Ausdauer für eine andere Tätigkeit als der erlernten einzusetzen. Seine spezifisch berufliche Fertigkeit, so scheint es, hat er sich auf Kosten seiner geistigen, sozialen und soldatischen Tauglichkeit erworben. Dies aber ist die Lage, in welche die Schicht der Arbeiter, also die Masse des Volkes, in jeder entwickelten und zivilisierten Gesellschaft unweigerlich gerät, wenn der Staat nichts unternimmt, sie zu verhindern.“ 
           
   
Die Selbsteinschätzung des Durchschnittsmenschen,  sehr wohl noch universal kompetent zu sein, ist jedoch geblieben. Ein  deutlicher Hinweis auf diesen Zustand ist ein Phänomen, das mit einem gewissen  Sarkasmus „Bambi-Syndrom“ genannt wird. Hierbei handelt es sich um eine  Geisteshaltung, die Natur moralisiert und infantilisiert. Man empfindet die  Natur als etwas Harmonisches, Friedliches, Schützenswertes, aber weiß  gleichzeitig so gut wie nichts über sie. Der deutsche Natur- und  Wandersoziologe Rainer Brämer untersuchte vor diesem Hintergrund die  Einstellungen zur und das Wissen über die Natur bei heutigen Jugendlichen.  Dabei stellte er allerhand Widersprüche fest. Da wir hier natürlich nicht den  ganzen Text seiner Analyse wiedergeben wollen, ergänzen wir seine  stichpunktartige Aufzählung der wichtigsten Ergebnisse ein wenig.  
  
    - Der Mensch kommt im Naturbild [heutiger]  Jugendlicher grundsätzlich nicht vor, und sie selbst begreifen sich nicht als  Naturwesen
 
    - Durch die Berührung mit dem Menschen verlieren  Naturelemente aus jugendlicher Sicht ihren Naturcharakter (Denaturierung von  Pfirsichen durch Eindosung, von Gemüse durch tiefgefrieren)
 
    - Man gibt vor, ohne Natur nicht leben zu können,  aber interessiert sich nicht mehr sonderlich dafür [was in der Natur wirklich  passiert und wie sie funktioniert]
 
    - Man bekennt sich zum Naturschutz, aber kennt das  Schutzobjekt nur noch dürftig (Artenschutz ohne Artenkenntnis)
 
    - Die Hochschätzung der Natur bleibt abstrakt und  wird nicht auf die eigene Person bezogen
 
    - Die wirtschaftliche Nutzung der Natur wird ausgeblendet  und verdrängt. Der Zusammenhang von Aufzucht und Ernte geht verloren
 
   
Wir können hier eine Parallele  zu wirtschaftlichen und sozialen Prozessen ziehen. Die meisten Leute verstehen so  gut wie nichts davon, aber haben trotzdem Meinungen darüber. In der Regel  studieren sie diese Thematik nicht ernsthaft und ausführlich. Deswegen fügt  sich ihre Sicht der Dinge nicht zu einem widerspruchsfreien Ganzen zusammen,  sondern besteht aus einem Sammelsurium unverbunden nebeneinander stehender  Urteile, die sich in vielen Fällen völlig widersprechen. Nun stellt sich die  Frage, woher die Meinung der Normalbürger stammt. Zunächst tendieren die  Menschen sehr stark dazu, ihre eigenen Wertvorstellungen und Erfahrungen -  eigentlich müsste man sagen Vorurteile - einfach zu verallgemeinern. Das ist  problematisch, weil das Leben eines Menschen nie für die ganze Gesellschaft  repräsentativ sein kann.  
Noch bedenklicher wird es, wenn  sich die normalen Bürger, um „kompetent“ ihre Standpunkte darzulegen, „tiefer  gehend“ informieren wollen. Dann setzen sie sich vor den nächsten Bildschirm  oder klemmen sich hinter die Zeitung und lassen sich von Leuten die sie gar  nicht kennen die Welt erklären. Dieses Verhalten des stumpfsinnigen  Nachrichtenkonsums gilt aber nicht als verwerflich, sondern als respektabel. Es  wird sogar allgemein erwartet. Wer zu allem eine Meinung hat, der gilt als  interessiert und nicht als anmaßend. Bestimmten Medien wird generell besondere  Seriosität und Objektivität zugeschrieben, wie etwa der Tagesschau, der  Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der Süddeutschen Zeitung (SZ) oder dem  Wochenmagazin Der Spiegel. Es wird von kaum jemandem in Betracht gezogen, dass  diese Medien nicht nur schlicht falsch liegen, sondern auch gekauft oder  unterwandert werden könnten. Wer die Auslegung dieser so genannten „Leitmedien“  bezweifelt oder gar zurückweist, gilt schnell als Spinner. Wir können  feststellen, dass die Meinungen der meisten Menschen zu wirtschaftlichen und  sozialen Fragen nicht im Rahmen einer intellektuellen Anstrengung entstehen. Es  handelt sich vielmehr um ein soziales Phänomen, das man durchaus mit Modetrends  und Ähnlichem vergleichen kann: So richtig weiß keiner woher es kommt, aber man  nimmt es an und findet es gut. 
So ist es für die heutigen  neoliberalen Meinungsmacher natürlich leicht, massiv die Meinung der Menschen  zu beeinflussen. Dabei spielen ihre „Experten“, also Lohnschreiber und  Rhetoriker, über die wir im vorigen Beitrag ausführlich gesprochen haben, eine  wichtige Rolle. Sie verstecken die Strategien der Machteliten hinter  „Objektivität“ und „Wissenschaftlichkeit“. Ihre typische Art zu reden – im  Volksmund würde man es als Fachchinesisch bezeichnen – ist gespickt mit  abstrakten Wörtern und schwieriger Mathematik. Das führt zu intellektueller Einschüchterung  und soll bewirken, dass die meisten Menschen sich nicht näher mit der Thematik  beschäftigen. Wenn alles wie geplant funktioniert, resigniert der Normalbürger  und denkt: „Das ist mir zu hoch. Aber diese Leute werden schon wissen was sie  tun. Immerhin sind sie ja dafür ausgebildet. Außerdem sagen ja die  Kommentatoren in seriösen Zeitungen, wie richtig dies alles ist. Dann muss es  ja stimmen.“ 
Um ganz sicher zu gehen, dass  sich möglichst wenige eine eigene Meinung zu den unmittelbar wichtigen Themen  bilden, lässt sich auch die Neigung der Menschen ausnutzen, sich besonders für  Dinge zu interessieren, die ihre Emotionen intensiv aufwühlen. Dazu müssen sie  gar nicht selbst davon betroffen sein. Dramatische Bilder und Geschichten  reichen schon. Übrigens musste man den Medienkonsumenten dieses Verhalten nicht  erst antrainieren. Der Mensch hat die Neigung, emotional besetzte Themen  geradezu zu suchen und über sie mit dramatischen Bildern informiert werden zu  wollen. So berichten die Medien über die Hungersnot in Afrika, das  fürchterliche Erdbeben in der Südsee oder den brutalsten Diktator der  arabischen Welt, und bei so manchen Nachrichten des Privatfernsehens wird das  Ganze noch mit Klatsch und Tratsch aus der Glitzerwelt garniert. In den  Inlandsnachrichten verfolgen die Leute gebannt die Ermittlungen zu einem  verschwundenen Kind und ängstigen sich um ihre eigenen Kinder, obwohl  Kindesentführungen und -misshandlungen eher seltene Verbrechen sind. Wir wollen  hier natürlich nicht behaupten, all diese Ereignisse wären unwichtig und  belanglos. Für die Betroffenen sind sie schrecklich. Aber den Normalbürger, den  sie eigentlich wenig bis nichts angehen, halten die Berichte darüber davon ab,  sich mit den Dingen zu beschäftigen, die sich direkt vor seiner Nase abspielen.  Dadurch ist es für die Machteliten einfach, die neuesten „Reformen“ zuerst an  unbeliebten Randgruppen zu testen. Während der wohlmeinende Bürger überlegt,  wie viel er den Menschen in einem entlegenen Teil der Welt spenden soll, wird  im Arbeitsamt der Hartz IV-Empfänger noch härter sanktioniert als je zuvor und  im Namen der Sicherheit die Überwachung öffentlicher Orte verstärkt. 
 
Das Geheimnis um die Macht im Kapitalismus
  
  Was hat nun die durch die Medien  geförderte Inkompetenz des Normalbürgers in wirtschaftlichen und sozialen  Fragen mit dem Verschwörungstheorie-Vorwurf als rhetorische Waffe zu tun? Die  Antwort darauf beinhaltet eine Ironie, die geradezu ätzend ist. Ausgerechnet  Robert Anton Wilson, der Autor der erfolgreichen Romantrilogie „Illuminatus!“,  in der es um eine Verschwörung geht, kleidet die Haltung der Leute, die sich  für gebildet und aufgeklärt halten, in prägnante Worte. Diese Aussage stammt  zwar aus der Zeit um das Jahr 2000, doch sie liest sich noch immer aktuell. 
  
    „Einerseits haben die traditionellen Machtgruppen in den letzten zehn bis 15 Jahren mehr Geld gemacht als jemals zuvor - auf diesem Level sind sie erfolgreicher denn je. Aber auf einem sehr grundsätzlichen Level, glaube ich, verlieren sie gleichzeitig die Kontrolle, denn die Welt ist so kompliziert geworden, dass eine kleine Gruppe gar nicht genug davon verstehen kann, um sie zu kontrollieren.“ 
                 
   
Ja, der moderne Mittelstandsbürger  hält es natürlich für abwegig, hinter dem sagenhaften Reichtum der Machteliten  in irgendeiner Form Absicht zu vermuten. Nur leider versteht derselbe nichts  von der Funktionsweise des Kapitalismus. Deswegen kann er sich einfach nicht  vorstellen, dass die Reichen umfassendes Wissen oder sehr weitreichende  Kontrolle über die Welt gar nicht brauchen, um Macht und Reichtum auf sich zu  konzentrieren. Die Reichen verstehen zwar nicht viel mehr vom Kapitalismus,  aber dafür ist ihnen aus langer Erfahrung eines bestens bekannt: Sie müssen  nicht mehr beherrschen als die üblichen und altbewährten Tricks gewöhnlicher  Ganoven und Krimineller. Es ist völlig ausreichend, für eine völlig freie  Marktwirtschaft zu sorgen. Dazu muss man nur hier ein Bisschen privatisieren,  dort ein wenig deregulieren und die Länder der Welt wirtschaftlich  gegeneinander ausspielen. Der Rest erledigt  sich praktisch von selbst. Die Unkenntnis dieser Tatsache wird für den Bürger  zum großen Problem, wenn er eines Tages selbst in den Abgrund schaut. 
 
Die Blüte der Verschwörungstheorien in Krisenzeiten 
  
  Was macht der Normalbürger wenn  er merkt, dass er immer schlechter dasteht und der Abstand zu den Hartz  IV-Empfängern und Niedriglöhnern immer kleiner wird? Dann wird er nervös und  fängt doch einmal an, sich Gedanken zu machen. Aber da er ja nicht gelernt hat,  in größeren Zusammenhängen zu denken, fällt er auf seine Emotionen herein, die  ihn die Schuld ausschließlich bei Personen suchen lassen. Eine solche  unbeholfene Suche nach Erklärungen für die eigene Misere lässt sich schon seit  vielen Jahrhunderten beobachten. Der große Denker und Philosoph vom Anfang der  Moderne Baruch de Spinoza hat es wie folgt formuliert: 
  
    „Denn wer unter den Menschen gelebt hat, weiss, wie im Glück selbst die Thörichten sich so von Weisheit erfüllt halten, dass sie es übel nehmen, wenn man ihnen einen Rath geben will. Aber im Unglück wissen sie nicht, wohin sie sich wenden sollen. Dann flehen sie Jedweden um Rath an und folgen selbst den verkehrtesten, unsinnigsten und eitelsten Vorschlägen.“ 
           
   
  So etwas erleben wir gerade. Die  Occupy-Bewegung richtet ihr Augenmerk auf Banken und Börsen. Die Richtung  stimmt, aber offensichtlich fehlt es am Verständnis des Ganzen. Wieder einmal  scheint es nur darauf hinauszulaufen, bessere Menschen auf die mächtigen  Positionen setzen zu wollen, um alles zum Guten zu wenden. Einen originellen  Vorschlag zur Umgestaltung der Wirtschaftsordnung haben wir von den  Occupy-Leuten jedenfalls noch nicht gehört. Etwas Ähnliches ließ sich auch beim  Regierungswechsel in den USA vor einigen Jahren beobachten. George W. Bush galt  als Inkarnation allen Übels. Obama wurde stürmisch bejubelt. Er sollte die  Wende bringen. Nun macht sich Ernüchterung breit. Was den radikalen  Bush-Gegnern offensichtlich niemals klar wurde: Der so genannte „mächtigste  Mann der Welt“ ist nicht annähernd so mächtig, wie gerne geglaubt wird. So  lange am System nichts geändert wird, kann es den Cliquen der Reichen relativ  gleichgültig sein, was die Führung der Vereinigten Staaten so treibt. Deswegen  war die Vermutung, Bush sei die Quelle allen Übels der Welt genau so falsch wie  die, Obama sei derjenige, der alles ganz allein wieder ins Lot bringen kann.  Kurz gesagt: Die Kritik an Personen kann nur ein Anfang sein. Wenn man aber  nicht darüber hinauskommt, wird aus der Kritik niemals mehr als eine Klage  darüber, wie gemein und unmoralisch die Mächtigen doch sind. 
  Wenn das passiert, schnappt die  Falle zu. Die Ideologen der Machteliten werden dann darauf hinweisen, wie  abwegig es ist zu behaupten, die freie Marktwirtschaft könne eigentlich prima  funktionieren, wenn die Leute, die an den längsten Hebeln sitzen, nur nicht so  böse wären. Sie würden weiterhin in Frage stellen, ob man ernsthaft glauben  könnte, andere Menschen würden dauerhaft besser handeln, wenn man sie auf die  entsprechenden Positionen setzte. Solche Behauptungen könnten doch nur von  Leuten kommen, die ihren persönlichen Neid und Hass als sachliche Kritik tarnen  wollen: also von Verschwörungstheoretikern. Und damit hätten sie durchaus nicht  Unrecht. 
  Wir sehen also, dass auch eine  große Krise der bestehenden Wirtschaftsordnung wenig anhaben kann, weil der  Großteil des Volkes sie nicht versteht und erst recht nicht in der Lage ist,  Alternativen zu denken. Die bei jeder Gelegenheit in höchsten Tönen gelobte  Freiheit von Meinung und Presse scheint dem wenig entgegensetzen zu können.  Angesichts dem, was wir oben beschrieben haben überrascht es uns wenig, was der  deutsche Journalist und Parteienforscher Thomas Wieczorek vom Effekt der Arbeit  kritischer Fernsehmagazine berichtet, die sich bemühen, alle möglichen Skandale  von Wirtschaftskriminalität bis Korruption aufzudecken: 
  
    „Obwohl diese Enthüllungen meist drei bis fünf Millionen Zuschauer direkt erreichen und dann regelmäßig helle Aufregung im Medienwald sowie in Politik und Wirtschaft verursachen, bleibt die Breitenwirkung wie die des gesamten Informationsangebots der Medien umstritten.“ 
           
   
  Vor diesem Hintergrund ist es  ziemlich unverständlich, warum gerade die Menschen, die engagiert und kritisch  sein wollen, ihre Aufmerksamkeit ausgerechnet auf das Fehlen von Meinungs- und  Pressefreiheit in bestimmten Ländern konzentrieren. Wir können zumindest für  den Kapitalismus feststellen, dass gerade diese beiden Dinge von den Mächtigen  zu ihrem Machterhalt gar nicht unbedingt eingeschränkt werden müssen. Im  Gegenteil: Je mehr Möglichkeiten jeder hat, seine unbeholfen  zusammengestückelten Theorien überall zu verbreiten, desto besser können die  Interessenten des Status quo ihre eigene, von den intellektuellen Lakaien  „wissenschaftlich“ verpackte Ideologie als „alternativlos“ ausgeben. 
   
  
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