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  Die „Experten“ als säkulare Priesterkaste im Dienste der modernen Plutokratie
  Die alt-neuen rhetorischen und dialektischen Tricks auf jeden Fall Recht zu behalten
    Ein Gastartikel
       
 
Wir sind so gut informiert, und wissen doch so wenig. Warum? Weil wir vor 200 Jahren eine toxische Wissensform namens „News“ erfunden haben, Nachrichten aus aller Welt. News sind für den Geist, was Zucker für den Körper ist. News sind appetitlich, leicht verdaulich – und langfristig höchst schädlich.
 
    Rolf Dobellischweizer Unternehmer und Schriftsteller    
       
 
Wir ertrinken in Informationen und dürsten nach Wissen.
 
    John Naisbittamerikanischer Trend- und Zukunftsforscher    
       

In den vorhergehenden Beiträgen haben wir untersucht, wie die neoliberalen „Wissenschaftler“ und „Experten“ mit den Medien umgehen, um das zu erlangen und zu verteidigen, was oft mit dem äußerst treffenden Wort „Deutungshoheit“ bezeichnet wird. Sie wollen ihre Sicht der Dinge als einzig richtige und allgemein anerkannte durchsetzen. Natürlich sind sie nicht so dumm, jegliche Kritik abzuwürgen, sondern lassen ausgewählte Kritiker zu Wort kommen, wie wir im vorherigen Beitrag gesehen haben. Deswegen wird oft die Forderung erhoben, eine so genannte Gegenöffentlichkeit zu schaffen, um dem Einfluss der Neoliberalen zu begegnen und den Bürgern die Wahrheit zugänglich zu machen. Das erscheint auf den ersten Blick als sinnvoll und vernünftig. Allerdings ist der Journalismus im Dienst einer allgemeinen Aufklärung, also gewissermaßen einer Qualifizierung des Volkes, unbrauchbar. Schon die Idee, die Bürger über alle relevanten Zusammenhänge aufklären zu wollen, hat kaum Aussichten auf Erfolg. Selbst wenn die Neoliberalen ab sofort schweigen würden, könnte der Journalismus, zumindest in seiner herkömmlichen Form, kaum etwas verbessern.

Die Tragödie des Medienkonsums: Man wird dümmer, aber fühlt sich klüger

In dieser Analyse wollen wir die Medien, die auch ihrem Selbstverständnis nach der reinen Unterhaltung dienen außen vor lassen. Dann lassen sich die Aufgaben des Journalismus etwa so umreißen: Journalisten sollen die Bürger mit Informationen versorgen und immer wachsam und kritisch sein, um Missstände oder gar Skandale aufzudecken. Bei Letzterem kann man aber leicht auf die Frage kommen, warum das ausgerechnet Journalisten tun sollten. Eigentlich sind Behörden dafür zuständig, die Einhaltung von Gesetzen und anderen Regelungen zu überwachen. Und auch eine Demokratie sollte zumindest theoretisch so eingerichtet sein, dass sie sich selbst kontrolliert, wie es in der knappen, eingängigen Beschreibung der amerikanischen demokratischen Institutionen zum Ausdruck kommt: „a system of checks and balances“. Natürlich kann niemand dem Journalismus Verdienste in dieser Hinsicht absprechen, aber die Überwachung einer vernünftig angelegten öffentlichen Ordnung durch Journalisten ist keine besonders gute Lösung. Und auch die Bereitstellung einer Unmenge von Informationen aus aller Welt ist nicht gerade etwas, das man einen Segen nennen kann.

Die größte Schwäche des Journalismus ist die, dass Journalisten sich dauernd um die Aufmerksamkeit der Leser bemühen (müssen). Schlagzeilen werden mehr oder weniger reißerisch angelegt, eher trockene Themen werden mit Anekdoten und Menscheleien gewürzt, komplizierte Zusammenhänge vereinfacht und verkürzt. Ein kurzer Zeitungsartikel enthält Information nur in sehr komprimierter Form. Deswegen ist ein solcher höchstens als Einstieg in die Auseinandersetzung mit einem Thema geeignet.

Diese Kürze der Meldung lässt ein weiteres Problem deutlich zutage treten: Journalisten formulieren oft nicht neutral. Die Lohnschreiber der Mächtigen wissen das nur zu gut und machen es sich zunutze. Das Paradebeispiel hierfür ist das Wort „Steuerentlastung“. Damit wird dem Leser suggeriert, Steuern seien etwas, das dem Bürger abgeknöpft wird, ohne dass er etwas davon hat. In den Kampagnen für Steuersenkungen hat sich dieses Wort seit Jahren bewährt. Doch auch der redliche Journalist kann durch eine unbedachte Formulierung das Urteil des Adressaten beeinflussen. Außerdem ist völlige Objektivität und Neutralität gar nicht möglich, weil jeder Mensch seine Vorlieben, Abneigungen und Vorurteile hat. Nicht einmal in den erfolgreichsten Wissenschaften kann man einen Anspruch darauf erheben, nicht mit menschlichen Unzulänglichkeiten zu kämpfen zu haben. Mit ein wenig Humor könnte man also sagen, der Journalist schafft es niemals, ohne Wertung zu berichten was ist, sondern lässt uns wissen was passiert ist und was wir seiner Meinung nach davon zu halten haben.

Diese Nachteile der Printmedien nehmen sich gegen die Defizite des Fernsehens noch bescheiden aus. Der österreichische Blogger Zacharias Korsalka, der eine Website über das Thema Veganer und deren Gedankengut betreibt, beschreibt die fatalen Eigenschaften des Fernsehens ausgezeichnet:

„Doch leider eignet sich das Medium Fernsehen nur selten für die Behandlung von Sachthemen, speziell, wenn diese in Form von billig zu produzierenden Fernsehdiskussionen oder gar „Talkshows“ (fürchterliches Wort, übrigens) stattfindet: Das für aufklärerische Absichten unerlässliche Zurücktreten der Person des Autors hinter die Botschaft ist hier praktisch nicht möglich, eine aktive Konfrontation der Zuschauer mit Information – ein Buch oder eine Internetseite wird aktiv gelesen, Links und Subseiten aktiv angewählt – überhaupt nicht: Die Leut sitzen vorm Kastel, weil sie sich über irgendwas aufregen oder sich entspannen wollen, und werden berieselt. Eine Sache, zu der sie Fragen haben, im Fernsehen nachzuschlagen, geht nicht; das Fernsehen folgt anderen Prioritäten. – die auch eine seriöse Auseinandersetzung mit gegnerischen Standpunkten sehr erschweren bis verunmöglichen. Mann kann nicht so einfach, konfrontiert mit irgendeiner veganen Behauptung, ein paar Tagen im Netz, in Bibliotheken und bei Fachleuten recherchieren, und man ist ungleich anfälliger für Verhaspler sowie gegnerische Kampfrhetorik oder sonstige „Pferdeverkäufer-Tricks“, deren Wirksamkeit auf antivegan.at aufgrund der oben beschriebenen Charakteristiken des Mediums Internet effektiv hinfällig ist.“ ... >

Aber nicht nur die „kleinen Häppchen“, also Zeitungsmeldungen und kurze Fernsehberichte haben ihre Mängel. Wer es beherrscht, mit dokumentierten Tatsachen zu arbeiten, also diese in einen sinnvollen Zusammenhang einzuordnen und sie zu interpretieren, wird beim Lesen eines längeren Aufsatzes in einem Nachrichtenmagazin oder eines ganzen Buches, das ein Journalist geschrieben hat, in der Regel etwas Eigenartiges feststellen. Man wird mit einer umfangreichen Sammlung von Fakten konfrontiert, doch zum Schluss hin wird es dünn. Größere Zusammenhänge werden kaum aufgezeigt, die Schlussfolgerungen bleiben oberflächlich. Wenn man mit der Lektüre fertig ist bzw. der Abspann der Sendung eingeblendet wird, fragt man sich was das Ganze eigentlich sollte. Dies gilt allerdings desto weniger, je mehr ein Journalist auf ein Thema spezialisiert ist. Doch dazu gleich mehr. Nun könnte man gegen all das bis hierhin gesagte einwenden, es sei gar nicht die Aufgabe der Journalisten, sozusagen den Oberlehrer zu spielen. Der Adressat der Informationen solle sich selbst ein Urteil bilden. Das erfordert jedoch Sachkenntnis. Diese Tatsache bringt uns direkt zu der Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, auf breiter Front informiert sein zu wollen.

Eigentlich ist eine gesunde Neugier und das Streben nach Wissen etwas Positives. Nur wirkt sich der Konsum von Nachrichten nachteilig darauf aus. Der Geist des Konsumenten wird mit Informationen überschwemmt, die nicht er selbst ausgesucht hat, sondern andere. Da die geistige Kapazität jedes Menschen begrenzt ist, sollten Informationen jedoch mit Bedacht und höchst sorgfältig ausgewählt werden. Der Erwerb von Wissen ist kein simples Puzzlespiel, bei dem sich alle Stücke die man zufällig findet mehr oder weniger zwangsläufig zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen. Die bloße Quantität von Informationen schlägt nicht in die Qualität von Wissen um. Zwar ist eine gewisse Breite des Interesses förderlich für originelle Einfälle. Jedoch muss eine klare Linie verfolgt werden, damit nicht ein beliebig zusammengetragenes Sammelsurium von fremden Ideen entsteht. So war zum Beispiel der berühmte Biologe Charles Darwin bei weitem nicht der erste, der die Auffassung vertrat, die Vielfalt des Lebens sei durch Evolution entstanden. Sein großes Verdienst ist es, als erster eine echte wissenschaftliche Theorie dafür entwickelt zu haben. Entgegen seinen eigenen Behauptungen in seiner Autobiographie hat er diese auch nicht einfach aus den Tatsachen zusammengesetzt, die er auf seiner Weltreise mit dem Segelschiff Beagle vorfand, sondern hat sie nach seiner Rückkehr mühsam entwickelt, wie uns der amerikanische Paläontologe Stephen Jay Gould berichtet:

„Dennoch kehrte Darwin ohne eine Evolutionstheorie nach London zurück. Er hatte den Verdacht, daß es wirklich eine Evolution gab, doch er verfügte über keine Methode, sie zu begründen. Die Theorie der natürlichen Selektion entstand nicht in einer unmittelbaren Umsetzung der auf der Reise mit der Beagle gesammelten Fakten, sondern in zwei darauf folgenden Jahren des Nachdenkens und der inneren Auseinandersetzungen, die sich in einer Reihe bemerkenswerter Notizbücher widerspiegeln, welche im Verlauf der letzten zwanzig Jahre aufgestöbert und veröffentlicht worden sind. In diesen Notizbüchern sehen wir, daß Darwin eine ganze Anzahl von Theorien erprobt und verwirft sowie einer Vielzahl von falschen Vorbildern folgt. Soviel also zu seiner späteren Behauptung, er habe die Tatsachen völlig unvoreingenommen registriert. Er las Philosophen, Dichter und Nationalökonomen und war stets auf der Suche nach Sinn und Verständnis. Soviel zu der Auffassung, die natürliche Selektion sei induktiv aus den während der Reise mit der Beagle gesammelten Fakten entstanden. Später bezeichnete er eines seiner Notizbücher als „voll von einer Metaphysik der Sitten“.“ ... >

Man kann also durchaus sagen, dass auch ein bestimmtes Maß an Glück dazugehört, auf einen guten Einfall zu kommen. Man möchte da schon spöttisch fragen, was hätten die Genies der Geschichte wohl geleistet, hätten sie jeden Tag Nachrichten aus aller Welt konsumiert? Tatsächlich sind gerade Wissenschaftler und andere gebildete Menschen anfällig dafür, sich zu überschätzen und selber zu glauben, stumpfer Nachrichtenkonsum hätte echten Nutzen für sie.

Fassen wir nun unsere Kritik an der Idee einer Gegenöffentlichkeit zur Begrenzung des Einflusses der Neoliberalen kurz zusammen. Wie wir gesehen haben, kann mit den üblichen kurzen Nachrichtenmeldungen nur derjenige etwas anfangen, der sie gar nicht braucht, weil er sich mit der Thematik sowieso auskennt. Wenn das Fachwissen fehlt, beurteilen die Menschen aus dem Bauch heraus und sind anfällig für Denkfehler und Manipulationen, wie wir an anderer Stelle ausführlich dargestellt haben.dorthin Demzufolge ist die Lektüre auch der seriösesten Zeitung oder des renommiertesten Wochenmagazins allenfalls zur persönlichen Unterhaltung geeignet. Allerdings dürften das die Leute, die auf ihre gute Bildung Wert legen und erst recht die Journalisten nur schwer einsehen wollen. Man fühlt sich eben nur allzu klug, wenn man zu allem ein Bisschen sagen kann, das wichtig klingt.

Die einzige Art Journalist, die nützlich sein könnte, ist mehr ein Fachmann mit journalistischen Qualitäten als Journalist im herkömmlichen Sinne. Ein solcher hat aber immer nur ein sehr begrenztes Publikum, was ihn insbesondere für das Fernsehen unattraktiv macht. Es ist zwar durchaus möglich, das Medium Film für die Auseinandersetzung mit einem Sachthema zu nutzen. Aus den oben angeführten Gründen kann das aber kaum in einem an ein breites Publikum gerichteten Programm geschehen. Dafür eignen sich wohl eher Lehrfilme, die selbstständig ausgewählt und beurteilt werden. In dieser Hinsicht bieten Videoportale im Internet schon heute gute Möglichkeiten. Sozusagen das letzte Refugium für den Journalisten im konventionellen Sinne sind die Lokalnachrichten. Die Ereignisse der Heimatgemeinde haben die Nachrichtenadressaten immerhin direkt vor der Nase. Sie können sich also jederzeit selbst ein Bild machen und das Wissen um das eigene Umfeld ist für jeden Bürger unmittelbar nützlich. Außerdem gibt es ein altbekanntes Sprichwort, das sich hervorragend auf das typisch menschliche Bedürfnis nach Neuigkeiten anwenden lässt: Jeder kehre zuerst vor der eigenen Haustür!

Bei aller Kritik am Journalismus dürfen wir jedoch nicht die Personen vergessen, die von den Journalisten zitiert und interviewt werden. Sie werden normalerweise als kompetente Ansprechpartner dargestellt. Doch das ist oft nicht der Fall. Lassen wir die gekauften Thinktank-Besatzungen und andere intellektuelle Prostituierten diesmal beiseite. Auch dann bleiben noch Disziplinen übrig, die zwar mit der Endung „-wissenschaft“ versehen werden, aber in Wirklichkeit nie den Stand einer echten Wissenschaft erreicht haben. Das anschaulichste Beispiel hierfür sind die so genannten Politikwissenschaftler, die man oft im Fernsehen sehen kann. Sie erzählen sehr viel über die Hintergründe der aktuell am meisten beachteten Geschehnisse und können durch rhetorisches Geschick sehr gut den Eindruck eines umfassenden Verständnisses erwecken. Wenn man aber etwas genauer hinsieht, durchschaut man den Trick. Diese „Experten“ erklären immer erst in Nachhinein, warum etwas passiert ist. Wenn man nichts voraussagen will, kann man jede Interpretation der Tatsachen irgendwie glaubhaft begründen. Konstruktive Vorschläge kommen von diesen Scheinwissenschaftlern ebenfalls kaum, allenfalls sehr allgemeine, unverbindliche Anregungen. Da sich aber gut erzählte Geschichten schneller verbreiten als nüchterne Analysen, finden sie immer ihr Publikum. Auch das haben wir ausführlicher diskutiert. Wie man sich leicht denken kann, hat dieser Erfolg der Geschichtenerzähler auch äußerst ungünstige Auswirkungen auf die Suche nach funktionsfähigen Alternativen zur heutigen Wirtschaftsordnung. Unzählige Male wurde in der Geschichte das getan, was die meisten begeistert konnte, und nicht das, was am besten funktioniert hätte.

Eine kurze Bewertung und ein Ausblick

Der Aufruf zum Aufbau einer Gegenöffentlichkeit zielt letztendlich darauf ab, die Menschen zum Besseren verändern zu wollen, in diesem Fall eben zu einem kritischeren, kompetenteren. Damit ist sie aber nur eine Variation des uralten Glaubens, durch Umerziehung der Menschen eine bessere Welt schaffen zu können. Das wurde über viele Jahrhunderte erfolglos versucht. Doch solche Ideen lassen sich nun mal hervorragend in aufrüttelnde Rhetorik und interessante Geschichten verpacken. Deswegen tauchen sie immer wieder auf. Die Menschen haben sich aber seit Anbeginn der Zivilisation nicht verändert und werden das auch weiterhin wohl kaum tun. Deswegen ist es Zeitverschwendung zu beklagen, die Wahrheit käme nie ans Licht. Da die heutige Welt so extrem kompliziert geworden ist, bleiben im wirklichen Leben eigentlich nur zwei Einstellungen zur Wahrheit übrig: Entweder interessiert sie die Leute nicht bzw. nur der Teil, der unmittelbar mit ihnen zu tun hat oder es fehlt die Zeit, sich in die Thematik so weit hinzuarbeiten, dass die Wahrheit erkennbar wird.

Was folgt daraus für den Umgang des Einzelnen mit Information? Selbstverständlich ist jeder Mensch in der Lage, sich verschiedene Kompetenzen anzueignen. Aber er muss eine gewisse Linie finden und seine Grenzen anerkennen. Angesichts der Komplexität der zivilisierten Umwelt läuft das zwangsläufig darauf hinaus alles was man nicht selbst kompetent beurteilen kann, weitgehend zu ignorieren. Dann muss man sich aber darauf verlassen können, dass all die Dinge, die man nicht selbst regeln kann, von denen man aber trotzdem betroffen ist, im eigenen Sinne geregelt werden. Das ist in der repräsentativen Demokratie in ihrer heutigen Form leider nicht gegeben. Die Politiker lassen sich bestechen und verschaukeln, zum Nachteil des Volkes. Da wir aber auch die Politiker nicht ändern werden, brauchen wir eine neue Form der Demokratie. Wie diese aussehen könnte, gehört aber nicht zum Thema dieses Beitrags. Diese Frage wird schon seit Jahrhunderten erörtert. Wir sehen uns das an anderer Stelle dieser Website an.

 
 
 
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