Nachdem ich einige allgemein historische und einige spezifisch kapitalistische Eigenschaften der historischen Epochen und Kulturen erörtert habe, werde ich das in diesem letzten Teil auf die Erklärung der letzten Phase des kolonialen bzw. neoliberalen Kapitalismus anwenden. Fangen wir mit der seit Jahrtausenden bekannten Erscheinung bzw. Praxis an, dass die Staaten oder „Nationen, die in sich unverträglich sind, durch Kriege nach außen Ruhe im Innern gewinnen“ - wie es Hegel formulierte. Es ist also ein Gemeinplatz in der Geschichte, dass die Herrschenden innere Probleme zu lösen versuchen, indem sie Krieg nach außen anfangen, um die drohende Rebellion oder Revolution drinnen zu vermeiden. Man wählt dabei einen schwächeren Gegner, um ihn zugleich auszuplündern und zu versklaven: also zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Kapitalismus unterscheidet sich hier nur insoweit, dass er eine wirtschaftliche Ordnung ist, die sozusagen wegen ihrem Konstruktionsfehler nicht stabil funktionieren kann, sie muss periodisch zusammenbrechen, ist also folglich periodisch immer wieder „in sich unverträglich“, und dann tut man dasselbe, was in der Geschichte schon immer getan wurde.
Krieg als permanenter Zustand des neoliberalen Kapitalismus
In dem bekannten Buch Der dunkle Kontinent: Europa im 20. Jahrhundert hat der britische Historiker Mark Mazower eine historische Bilanz des 20. Jahrhunderts vorgelegt, mit der abschließenden Feststellung: „Niemals zuvor hat sich auch die Abgründigkeit der menschlichen Natur in einem solchen Ausmaße offenbart“. Ein richtiges Pech für Deutschland war, dass es zu spät zum Kapitalismus gelangt ist. Als „verspätete Nation“ - so der Soziologe Helmut Plessner - ist Deutschland zum Kapitalismus gelangt, als die Kolonien schon weitgehend verteilt worden waren und es schließlich nur zwei schlechte Optionen zur Wahl hatte. Entweder nach außen friedlich und drinnen durch Chaos zugrunde zu gehen, oder in einen Krieg gegen alle zu ziehen.
Die Ausnahmen bestätigen die Regel nicht, aber es gibt sie immer. Eine solche Ausnahme , nicht durch Krieg den periodischen Zusammenbruch zu überwinden, hat dem Kapitalismus der Zusammenbruch des Kommunismus im Osten geschenkt. Ohne einen Schuss abzufeuern, sind dem Kapitalismus im krisenhaften Zustand - insbesondere Deutschland galt in den Neunzigern als der „kranke Mann“ - neue Märkte in den Schoß gefallen. Wer genauer wissen will, was damals in den östlichen ehemals kommunistischen Ländern vor sich ging, soll das Buch von Siegfried Wenzel lesen: Was war die DDR wert? Der Unterschied zur DDR lag nur darin, dass die Hilfen an diese Länder bei weitem nicht vergleichbar mit dem waren, was andere Länder dafür bekommen haben, dass man ihre ganze Wirtschaft einfach vernichtete, um eigenen Firmen Märkte zu schaffen - sie also zu richtigen Kolonien machte. Es war sehr schlau oder hinterlistig, dass man die Produktionskapazitäten einfach vernichtet hat. Das Finanzsystem konnte Geld anbieten und sich dumm und dämlich durch Verschuldung dieser neuen Kolonien verdienen, und man konnte danach sagen: Die Kommunisten haben eigentlich nie etwas Brauchbares erreicht, dort habe man kaum mehr als Steinzeit vorgefunden. Orwell lässt grüßen.
Eine Eigenschaft der neuen Märkte ist, dass sie ziemlich schnell aus externen zu internen Märkten werden. Das geschah auch mit den Märkten der ehemals kommunistischen Länder. Und nach weniger als 2 Jahrzehnten meldete sich prompt die typische kapitalistische Krise wieder, mit dem Kollaps des ganzen Banken- bzw. Finanzsystems (2008). Mit einer seit vielen Jahrhunderten bekannten Methode, also durch die Notenpresse, hat man das Schlimmste abwenden können, zu einer richtigen Erholung der Wirtschaft hat das nie geführt. Man wusste aber, was zu tun wäre. Indem damals nur die Länder des Ostblocks kolonisiert wurden, aber noch einige „undemokratische“ geblieben sind, waren diese an der Reihe den Kapitalismus zu retten. Zuerst haben die westlichen globalen Eliten bzw. ihre NATO ein wenig geübt, mit Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen, ...
Das Hauptziel waren aber nicht diese schwachen Länder, sondern den Sieg der „Freiheit und Demokratie“ in Russland vorzubereiten. So hat man die NATO immer weiter an die russische Grenze herangerückt. Beides war von Vorteil: Entweder tut Russland nichts, dann würde man die Schlinge weiter zusammenziehen, oder Russland wird sich wehren und die Ukraine angreifen, dann würde man dem ganzen Planeten erzählen, wie aggressiv und böse Russland und Putin sind.
BEMERKUNG:
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Auch hier soll man aber dem Kapitalismus nicht das anlasten, was schon zur allgemeinen Eigenschaft der zivilisierten Menschheit gehört. Erinnern wir uns an die Rede von Cornelius Tacitus vor dem Senat, als das Imperium Romanum vor dem Untergang stand:
„Ihrem [dem der Römer] Hochmut trachtet man vergeblich durch Gehorsam und Unterwürfigkeit zu entgehen. Als Räuber der Welt durchstöbern sie jetzt das Meer, nachdem ihnen, den Alleszerstörern, die Länder ausgegangen sind. Ist ihr Feind reich, so sind sie habgierig, ist er arm, sind sie unersättlich in ihrem Machtanspruch. … Verschleppung, Gemetzel und Raub benennen sie mit dem verlogenen Ausdruck Imperium, und wo sie eine Wüste schaffen, heißt das Frieden.“
Der Unterschied liegt nur darin, dass es damals möglich war, so etwas vor dem Senat zu sagen, während in heutigen westlichen Parlamenten, wo man auf Freiheit schwört, so etwas unvorstellbar ist. Recht auf freie Meinungsäußerung bedeutet nur noch das Recht auf die Äußerung einer politisch korrekten Meinung.
Damit nicht genug. Der amerikanische Kapitalismus hat in den 240 Jahren seiner Geschichte lediglich 16 Jahre nicht Krieg gegen irgendjemanden geführt. Und wie sind die USA eigentlich entstanden? Ist schon klar: Irgendwie und irgendwann hat jedes Volk eines anderen Lebensraum besetzt. Die Russen auch, aber sie haben ihren vielen, sogar sehr kleinen Urvölkern die Schrift gebracht und Schulen gebaut, die Amerikaner haben ihre Indianer systematisch und gemein ausgerottet. Heute haben in Russland weit über hundert Sprachen offiziellen Status, nachdem die Ukraine durch einen Putsch „demokratisch“ wurde, ist Russisch dort keine offizielle Sprache mehr, sondern unterdrückt und verboten, und die russische Kultur, weil ja Russe gleich Kommunist bedeutet, überall buchstäblich vernichtet. Und der „Wertewesten“ schweigt wie ein Grab. Dann hat man eine authentisch ukrainische Kirche aus dem Hut gezaubert, die angeblich russischen Kirchen werden enteignet und geplündert, Priester herausgezerrt und weggejagt ... Und der „Wertewesten“ schweigt wie ein Grab. Zum Gründungsvater der demokratischen und freiheitlichen Ukraine wurde Josep Bandera ernannt, überall tauchen seine Denkmäler auf, alles mögliche wird nach ihm und seinen Schergen umbenannt, die damals die treuesten Mitkämpfer, Bewunderer und Handlanger unseres Adolf gewesen sind. Und der „Wertewesten“ schweigt wie ein Grab. Es reicht opositionelle Parteien und mediean als "russisch" zu erklären, um sie zu eliminieren. Und der „Wertewesten“ schweigt wie ein Grab. Nicht ganz. Die Polen drohen nämlich, einen EU-Beitritt der Ukraine zu verhindern, bis nicht „geklärt ist“, wie man das Problem löst, dass Banderas Leute auch zehntausende von polnischen Kindern, Frauen ... getötet, angezündet, gequält haben. Auch die Slowaken haben mit den Ukronazisten noch eine, wenn auch kleinere Rechnung offen. |
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Eines kann man bei den Amerikanern fast bewundern, wie ehrlich sie sind. „Es ist uns egal, wie viele Ukrainer sterben. Wie viele Frauen, Kinder, Zivilisten, Soldaten sterben werden. Es ist wie ein wichtiges Fußballspiel, und wir wollen gewinnen“, erklärte ein ehemalige US-Senator Richard Black die Situation: Als Senator Lindsey Graham gemeinsam mit einer US-Delegation Selenskyj besuchte, um ihm Hilfen zu versprechen und die Ukrainer zu weiteren Todesopfern zu ermutigen, sagte er. „Die Russen sterben“, und dann: „Das ist das beste Geld, das wir je ausgegeben haben.“
Bei Napoleon und bei Adolf ist die Idee mit der Eroberung bzw. Kolonisierung Russlands schief gegangen, es sieht schon ziemlich danach aus, dass es auch mit diesem Stellvertreterkrieg des Westens „bis zum letzten Ukrainer“ gegen Russland nicht gelingen wird. Vielleicht ist die Erklärung dafür ganz banal. Russland hat in seiner ganzen Geschichte nie den Westen angegriffen, es war der Westen, der dies bei jeder scheinbar guten Gelegenheit getan hat. Die Russen waren sich dessen offensichtlich bewusst. Trotz der Katastrophe, die Russland dank Gorbatschow und Jelzin erlebt hat, waren die Russen offensichtlich vorsichtig genug und haben ihre militärischen Potenziale bewahrt und sogar weiter entwickelt. Dies zu übersehen war der erste große Fehler des Westens. Der zweite große Fehler war die Globalisierung.
Ein gewonnener und ein verlorener ökonomischer Krieg der westlichen Machteliten:
Der Kommunismus hat dem Kapitalismus bzw. seinen Machteliten große Probleme aufgebürdet. Als unser Planet wie im Lauffeuer immer röter wurde, musste man der eigenen Arbeiterklasse gegenüber großzügig sein. Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass die westliche Arbeiterklasse ihre Rechte und relativ hohen Löhne den Kommunisten in den nichtwestlichen Ländern zu verdanken hat. Man muss schon ziemlich naiv sein, um zu glauben, diese Rechte und guten Einkommen wären ein Ergebnis der Herrschaft des Volkes gewesen, der Demokratie, also Folge dessen, dass man einmal in vier Jahren im Vorbeispazieren ein paar Kreuze auf einen Wahlzettel macht. Natürlich war es für den braven Bürger sehr angenehm, an seine zauberhafte Macht durchs Kreuzchen-machen zu glauben. Sonst hätte er auf den Gedanken kommen können, was der „zivilisierte“ Westen in den rückständigen Ländern schon seit mehreren Jahrhunderten tut. Indem der Bürger diese politisch unkorrekte Frage ausblendet, kommt er zur Schlussfolgerung, sein Wohlstand wäre alleine Ergebnis der eigenen Leistung und Fähigkeiten. Und die Herrschenden bestätigten ihm das nur allzu gern. Sie heucheln den Wählern vor, wie vernünftig, gütig, innovativ und so weiter sie wären, die als solche es geschafft hätten, dass „wir ein Garten sind , der Rest der Welt ein Dschungel ist“ wie es etwa der EU-Chefdiplomat Borrell neulich (13.10.2022), ohne mit der Wimper zu zucken formuliert hat.
BEMERKUNG:
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Für Aristoteles, den viele zu den klügsten Menschen der Geschichte zählen, war es auch ganz selbstverständlich, dass die Barbaren nichts anderes als sprechende Werkzeuge waren. Wer kann dann dem einfachen Menschen, dem westlichen Bürger verübeln, dass er, solange seine Kultur und Zivilisation den anderen überlegen ist, sich zu den Übermenschen zählt. |
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Was aber der westliche brave Bürger-Untertan immer mehr zu spüren bekommt, ist, dass er immer mehr schuftet und immer weniger verdient. In der Tat! Nach dem Ende des Kommunismus brauchten die Reichen und die Mächtigen im Kapitalismus die eigenen Bürger nicht mehr zu hofieren. Das brauchten sie nicht offiziell zu erklären und keine Aktionen zu unternehmen, die auffällig gewesen wären. Es reichte, ganz in der Stille Produktionskapazitäten aus dem „Garten“ in den „Dschungel“ umzusiedeln. Natürlich vornehmlich Investitionen, die die Umwelt verschmutzen, gefährliche und stumpfsinnige Arbeit verlangen - der „Dschungel“ sollte natürlich nach wie vor „Dschungel“ bleiben. Auf Kosten des „Dschungels“ sollen dafür gut (aus-)gebildete - und gesunde und geschickte – Menschen in den „Garten“ gelockt werden, nachdem man hier die eigene Arbeiterklasse durch Arbeitslosigkeit gefügig gemacht hatte, sie verarmen lassen und entrechten konnte. Nur das Recht, in vierjährigen Abständen sein Kreuzchen zu machen, soll erlaubt und gefeiert werden, alles dagegen, was der Liberalismus am Anfang einmal versprochen hatte, soll man gefälligst vergessen.
Anders als der Krieg gegen den Rest der Welt und gegen Russland, der Krieg gegen die eigene Bevölkerung ist den westlichen Machteliten gut gelungen. „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen“ - so der Börsenspekulant Warren Buffett. Vielleicht konnte sich „seine Klasse“ nicht einmal vorstellen, wie schnell und einfach sie den Krieg gegen das eigene Volk gewinnen würde. Die Arbeiterklasse im „Garten“ rutscht still und geduldig in die Lage des 19. Jahrhunderts zurück, aber der ökonomische Krieg gegen den „Dschungel“ ist so gut wie verloren - für alle Zeiten. Oder wird man sich der eigenen Fehler bewusst und sich doch retten? Der erste Schritt wäre die Realität zu erkennen.
Als ich mit diesem Aufsatz über Die Geburt und der Untergang des kolonialen bzw. neoliberalen Kapitalismus begonnen habe, hatte ich mir wirklich Sorgen gemacht, wie ich den Aufstieg des „Dschungels“ darstellen und argumentieren könnte, damit ich glaubhaft bin, da ich wusste, dass ich etwas ganz anderes erzählen würde, als von den deutschen Medien, der Politik und allen offiziellen Stellen einstimmig als die letzte Wahrheit ausposaunt und verkündet wird. Es war ein großes Geschenk, dass ich in YouTube auf Berichte des deutschen Journalisten Frank Sieren gestoßen bin, dem man schon deshalb mehr glauben müsste, da er seit drei Jahrzehnten in China lebt. Er hat mir ganz viel eigene Arbeit und Anstrengungen erspart. Was mich zuerst richtig überrascht hat, war, dass er manches sagt, was der westlichen Propaganda - die deutsche ist da bei weitem die schlimmste - nicht weniger als ins Gesicht zu spucken bedeutet. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, was er sich erlaubte vor dem deutschen Publikum zu schlussfolgern: „Wenn wir nicht mehr danach suchen, unsere Demokratie und unsere Gesellschaft weiter zu entwickeln, wenn wir aufhören zu schauen, was es an anderen Stellen der Welt an Entwicklung gibt, dann kommen wir vielleicht in die gleiche Situation wie die Chinesen im 19. Jahrhundert, die auch geglaubt haben, sie müssten die industrielle Revolution nicht beachten und dann in eine große Krise gefahren sind. Und das ist meine große Sorge“.
Aber was kann man konkret von den Chinesen und Kommunisten lernen? Hier ist Herr Sieren sehr unklar. Ob er meint, wenn er darüber etwas mehr sagen würde, könnte er sich von dem Beruf des Journalisten im Westen verabschieden? Ich halte es aber für durchaus möglich, dass ihm selbst manches noch unklar ist - eher ahnt er nur etwas. Ich vermute, Letzteres stimmt weitgehend. Was er nämlich über Marxismus und Kommunismus weiß, ist nur das, was ihm in seinen frühen Jahren die Propaganda eingehämmert hat. Das nur als eine Bemerkung - da kann sich jeder eigene Meinung bilden. Deshalb versuche ich zwar mit seine Hilfe aber hauptsächlich selbst zu enträtseln, was man von China und Russland lernen kann.
Die Totgesagten leben länger: Die Rückkehr der Politik und der Gesellschaft
Ob mehr dummes Zeug in der neoliberalen oder in der Marxschen ökonomischen Theorie steckt, darüber lässt sich streiten. Aber sowohl die eine als auch die andere hat etwas zumindest richtig diagnostiziert. Was ist es nun, was Marx richtig diagnostiziert hat? Solange man diese nicht begreift - was mit Sieren vielleicht der Fall ist -, kann man auch nicht richtig verstehen, was in China und Russland in den Diskussionen stattfindet.
Ich habe schon einiges dazu gesagt, dass es zwischen Konkurrenz und Arbeitsteilung einen wesentlichen Widerspruch gibt. Die atomistische Marktwirtschaft ist nicht mit immer weiter steigender Arbeitsteilung vereinbar. Das hat Marx richtig gesehen, aber falsch gedeutet, nämlich durch immer weitere Kapitalakkumulation, also steigende organische Zusammensetzung des Kapitals. Angeblich wären die Großen imstande, mehr zu investieren als die Kleinen, so dass die Kleinen deshalb verschwinden müssten. Das stimmt nicht. Die Menge der geronnenen Arbeit pro (lebenden) Arbeiter steigt tendenziell nicht. Kapital ist (normalerweise) kein knapper Produktionsfaktor - natürlich in den schon entwickelten Marktwirtschaften. Die Monopolisierung hat vor allem damit zu tun, dass ein technologischer Prozess mit vielen Stufen nicht ohne strenge Hierarchie stabil funktionieren kann. Die Technik kennt nur strengen Determinismus und damit verlangt sie eine totale Disziplin in den Produktionsketten. Monopole müssen sozusagen mit eiserner Hand gesteuert werden. Das ist unbestritten, die Frage ist, wessen Hand dies ist: ob die des Privatkapitals oder des Staates. Anders gesagt, ob der Staat in die Wirtschaft eingebettet werden soll, oder die Wirtschaft in den Staat. Die erste Möglichkeit ist die neoliberale und die andere ist ... da fehlt der Theorie noch die endgültige Antwort.
Was bedeutet die neoliberale Lösung, den Staat in die Wirtschaft einzubetten? Es bedeutet einen Staat, der so gut wie über nichts entscheidet. Die westliche Demokratie, also die Herrschaft des Volkes ist hier, nett ausgedrückt, eine Illusion. Nicht nur, dass das Volk nicht herrscht, sondern in dieser demokratischen Ordnung soll und darf es gar nicht wirklich herrschen. Hier ist nicht die Stelle das zu vertiefen, ich erkläre es nur andeutungsweise. So wie die Reichen Fußballclubs kaufen, um den Bürgern Spiele zu bieten, so kaufen sie sich auch Parteien, und die dürfen mit allen Mitteln die Wähler überreden, bei ihnen ihr Kreuzchen zu machen. Was sie danach tun, ist den Parteien frei überlassen. Die Regierenden sind nicht Diener des Volkes, sondern sie sind Diener der Reichen. Man könnte jetzt sagen, die Wähler können Parteien und Politiker bestrafen, indem sie diese nicht mehr wählen, sondern neue Parteien und Politiker. Damit es dazu nicht kommen kann, ist aber vorgesorgt. Status und Lebenslage eines Politikers im Kapitalismus ist dermaßen degradiert und unsicher, dass kein fähiger und vernünftiger Mensch in die Politik gehen will - die wenigen echten Idealisten fallen nicht ins Gewicht. Folglich drängen immer mehr Scharlatane und Dummköpfe in die Politik, und wenn es ihnen gelungen ist, gewählt zu werden, kann der „tiefe Staat“ sie noch billiger kaufen als es früher der Fall war. Dieses Stadium des Verfalls der Politik hat im real existierenden Kapitalismus schon längst begonnen. Man kann darüber streiten, ob hier Bush oder Baerbock der bessere Typus eines solchen Politikers ist. Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels des westlichen Wahlsystems - also der sog. „Demokratie“.
Was bedeutet es aber, wenn die Wirtschaft in der Politik eingebettet wird - also umgekehrt als im Westen? Die kommunistische Version war die, dass die Politik die wirtschaftliche Aktivität aus einem Zentrum heraus bis ins letzte Detail plant (Planwirtschaft). (Naja gut ... in Jugoslawien etwa war dies nicht der Fall, aber das gehörte zu den Ausnahmen.) Chinesen - und Russen ebenso - wissen aus eigener Erfahrung, dass dies schlecht funktioniert. Chinesisch kann ich nicht, ich ziehe Schlüsse daraus, was Sieren berichtet. Jetzt wird in China Konkurrenz überall dort zugelassen, wo es möglich ist, wo zumindest größere Monopole entstehen würden. Wo sich diese nicht ganz verhindern lassen, soll der Staat immer stark genug bleiben, ihre steigende Macht- und Profitgier zu beschränken. So ließen die chinesischen Kommunisten Alibaba, sozusagen ihre Kopie vom amerikanischen Amazon, so lange wachsen - um wirtschaftliche Kompetenz auf diesem Gebiete zu sammeln -, bis er zu mächtig und frech geworden ist, um ihm dann Vorschriften aufzuerlegen, damit er für die Konkurrenz nicht gefährlich ist. Auch Immobilienmakler haben sich zu weit vorgewagt, wie ihre frechen und rücksichtslosen westlichen Kollegen damals - die Immobilienkrise in den USA 2008. Erst haben sie am Markt vorbei spekuliert und sich verspekuliert und sind dann, in Herrenmanier, wie ihre westlichen Kollegen-Versager vor den Staat bzw. die Regierung getreten und haben ihr nett mitgeteilt, sie solle sie gefälligst retten, damit sie nicht die ganze chinesische Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. Sie wussten, dass dies im Kapitalismus immer bestens funktioniert: Profite werden privatisiert und Verluste sozialisiert. Hier ist es auch ganz deutlich, dass die westliche Demokratie nichts anderes als die Regierung für die Reichen ist. Die kommunistische Regierung hat aber die Immobilien-Spekulanten klar wissen lassen, dass sie gar nicht daran denkt, ihnen zu helfen. Sie hat diese vornehmen Herren daran erinnert, wie sie immer den Staat beschimpfen, für dumm und korrupt erklären, sich selbst dagegen für genial halten, und wenn dem so sein sollte, dann würden sie schon alleine herausfinden, wie sie sich selbst retten könnten. Man hat ihnen angeblich nachgerufen: Die Immobilien dienen nicht der Spekulation, sondern damit das Volk gut wohnen kann. Auch das hat Sieren sehr schön beschrieben.
Ob die Chinesen etwas tun, was man nicht auch von anderswo her kennt? Nein! Rein ökonomisch betrachtet, ähnelt der Kapitalismus in diesem Land sehr dem Kapitalismus in Deutschland, wo eine „verspätete Nation“ die alten kapitalistischen Wirtschaften eingeholt und überholt hat, und zwar so schnell, wie sich das davor niemand hatte vorstellen können. Es war eine Kombination von Adam Smith und Friedrich List. Der Erfolg war so offensichtlich, dass „seitdem in der Tat etwas vom deutschen Übermenschen in der Luft schwebte - im positiven Sinne.“ Ich zitiere mich hier selbst, ist ja nicht verboten Als die deutsche Wirtschaft die westlichen Nachbarn eingeholt hatte, haben Probleme begonnen, die sich nicht erklären und nicht bewältigen ließen. Auch dafür habe ich eine Erklärung, die identisch mit der Erklärung ist, warum eine solche Wirtschaft davor sehr erfolgreich war: Mit dem kreislauftheoretischen Modell, in dem der Nachfragemangel nicht monetär, sondern real erklärt wird. Die Wirtschaft des Kaiserreiches hat das Problem des Nachfragemangels nicht erkannt, die deutsche Historische Schule hat also versagt und ist in den Neoliberalismus abgerutscht.
Die Prognosen sind schwierig ...
„Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen“, so die oft zitierte Bemerkung von Mark Twain. Ob die chinesische - und russische - nach dem Kaisermodell erfolgreiche Wirtschaft auch wie damals die deutsche nach sehr großen Erfolgen zusammenbrechen wird? Die ökonomische Diskussion in China kenne ich nicht, die russische schon, und da kann ich sagen: Der Nachfragemangel ist dort fast ein Fremdwort - auch wenn dort alle anderen bisher bekannten ökonomischen Einfälle - auch die dümmsten - von dem einen oder anderen vertreten werden. Von den Tatsachen kommt kein Druck, der Chinesen und Russen zwingen würde, über das Problem des Nachfragemangels nachzudenken. Die Chinesen können immer noch dank billiger Arbeitskräfte und die Russen durch den Export ihrer Ressourcen Exportüberschüsse erzielen, so dass sich dadurch der Nachfragemangel von selbst erledigt - er existiert tatsächlich nicht wie eine empirische Tatsache. Auch die Sanktionen des Westens verhindern den Nachfragemangel. Was Westen sich selbst verboten hat zu liefern, können Russen selbst produzieren. Nebenbei bemerkt, unglaublich viel helfen den Russen die Sanktionen des Westens auch aus einem andern Grund. Sie haben buchstäblich im letzten Augenblick Russland von der drohenden totalen Deindustrialisierung gerettet - nun erlebt Russland eine neue Industrialisierung in davor unvorstellbarem Tempo. „Es gäbe kein Glück, wenn Unglück nicht mitgeholfen hätte“ - ein bekannter russischer Sprichwort, das heute Hochkonjunktur hat. Was Chinesen betrifft ... da kann ich nicht viel sagen. Wenn ich an die chinesischen Pläne einer neuen Seidenstraße denke, frage ich mich, ob sie etwa der verrückten deutschen Idee von einem „Exportweltmeister“ folgen? Dieser Gedanke ist desto gefährlicher, als Chinesen und Russen den Dollar als die Weltwährung abschaffen wollen, der seit Jahrzehnten für die Kompensation des Nachfragemangels aller kapitalistischen Länder gesorgt hat. Man kann hier resigniert sagen: „Vater, vergib ihnen,denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Natürlich wissen wir nicht, ob China und Russland sich noch rechtzeitig an Keynes erinnern, um nicht wie das deutsche Kaiserreich zu enden. Indem in Russland das Wort Liberaler ein Schimpfwort im Volk geworden ist, ganz pessimistisch muss man nicht sein.
Aus noch einem Grund muss sich die Geschichte des Kaiserreiches nicht wiederholen. Wenn die Wirtschaft in der Politik eingebettet wird, wird man mit gesundem Menschenverstand und offenen Augen den Nachfragemangel wahrnehmen und wird ad-hoc reagieren können. Nun, ich habe da meine Zweifel, ob solche Methoden langfristig funktionieren. Aus meinen erkenntnistheoretischen Überlegungen schließe ich, dass eine Praxis, auch wenn sie für eine beachtliche Zeitspanne erfolgreich ist, aber nicht theoretisch verankert ist, nicht überleben kann. Wenn gute praktische Maßnahmen nicht in ein Paradigma passen, wird man sie nicht länger anwenden können, weil ihre Gegner sie immer heftiger angreifen, in Stücke reißen und als solche diskreditieren werden. Wie es mit der Nachfragetheorie der Fall war. So versucht heute die neue monetäre Theorie (MMT) den Nachfragemangel mit Geld zu kompensieren, aber da sie auf keinem Paradigma fußt, wird sie ganz bestimmt scheitern. Auch wenn es im Allgemeinen richtig ist, dass sich mit Geld der Nachfragemangel kompensieren lässt (dieser Auffassung bin ich auch ), aber diese Maßnahme ist eher eine Art Feuerwehr, der Nachfragemangel muss schon real beseitigt werden, wozu ich auch einige Vorschläge gemacht habe
Ich setze meine Gedanken über die Zukunft fort und komme zu den Amerikanern. Als sie damals, während der Großen Depression gemerkt haben, dass die Ratschläge der Neoliberalen für die Katz waren, haben sie es gewagt, eine Alternative auszuprobieren, diejenige von Keynes, und die war sehr erfolgreich. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sich die Amerikaner als Pragmatiker einfach von dem Gedanken des Imperiums verabschieden und ziemlich selbstständig bleiben. Sie haben sowohl natürliche Ressourcen als auch Humankapital genug, um alleine sehr gut leben zu können - wie schon früher. Den Herrschern im alten Europa ist damals nichts besseres eingefallen, als einem wie Hitler die Macht in die Hände zu legen. Am deutschen Wesen sollte die Welt genesen - worüber leider die berühmtesten deutschen Philosophen immer realitätsfern und tiefgründig sinniert haben, wie etwa Kant, Heine, Hegel, Heidegger und andere. Die damalige Rettung durch Waffen ist schief gelaufen, ob die heutige grüne Rettung der deutschen Wirtschaft gelingt, ist mehr als fraglich. Wenn man wirklich an eine grüne Rettung glaubt, warum wird diese in einem atemberaubenden Tempo immer offener und aggressiver auf den militärischen Weg umgelenkt? Ganz traurig ist es, wenn man in Deutschland die eigene Geschichte vergessen hat und die alte „Lösung“ aus der Schublade gezogen wird, nach dem Motto: „Wir müssen kriegstüchtig werden“. Realitätsfremd und überheblich wie die deutschen Philosophen - die bekanntesten von ihnen zumindest -, werden die Lehren aus der deutschen Geschichte vergessen, und dies auch noch zu einem Zeitpunkt, da der Westen eigentlich seine letzten Freunde in der Welt verliert.
Vor allem in Deutschland will das niemand wahrnehmen. Nicht Russland, sondern der Westen ist in der Welt isoliert. Die Völker aus dem „Dschungel“ haben noch gut in Erinnerung, dass es die Russen waren, die ihnen immer bei antikolonialen Kriegen geholfen haben. Sie erinnern sich sehr gut, dass die Völker aus dem „Garten“ immer den nächsten Aderlass bei ihnen veranstaltet haben, den sie als „Entwicklungshilfe“ deklariert haben. Beispielsweise hat Niger neulich die Franzosen vertrieben, die sich rühmen, dem Land angeblich die „Zivilisation“ gebracht zu haben. Man liest, Niger habe Uran für die französischen Atommeiler hundert Mal unter dem Marktpreis geliefert - was bestimmt übertrieben ist -, die Tatsache ist aber, dass die Menschen in Niger noch fast ohne Elektrizität leben. (Und nebenbei bemerkt: Alle Geldaktiva müssten in Frankreich halten - eine perfekte Erpressung.) Schluss mit dem billigen Strom schwarzer Sklaven. Bemerkenswert ist, dass die Franzosen und die NATO es doch nicht gewagt haben, das zu tun, was ihnen schon zur Routine geworden ist, nämlich zu bomben, bis man die „Diktatur“ besiegt hat, um dann das nigerianische Volk durch „Demokraten“ weiter ausplündern zu können. Warum haben es sich die Franzosen diesmal anders überlegt?
Mehrere Jahrhunderte konnte der Westen über den „Dschungel“ mit Leichtigkeit siegen, wegen der technologischen Überlegenheit, aber diese Zeit ist für immer vorbei. Ich habe darüber schon früher etwas gesagt, ich empfehle, dass man sich das von dem Journalisten Sieren sagen lässt. Rein ökonomisch betrachtet, kann die G7 mit BRICS nicht mehr mithalten und der Abstand zwischen ihnen wird sich beschleunigt vergrößern. Aber nicht nur das. Der koloniale bzw. neoliberale Kapitalismus hat als eine ökonomische Ordnung nicht nur abgewirtschaftet, sondern alle seine eigenen humanistischen Werte vom Anfang der Moderne endgültig kompromittiert. Die Moderne ist zur orwellschen Postmoderne geworden.
Das Ende der sog. „individuellen Freiheiten“ und die Rückker zu frühmodernen Werten
Wie gesagt, Chinesisch kann ich leider nicht. Ich weiß nicht, wie unglücklich die Chinesen sind, dass ihnen die Kommunistische Partei in rasantem Tempo den Wohlstand erhöht, während sie angeblich keine sogenannten „individuellen Freiheiten“ genießen können. Russisch kann ich, zumindest das Gesprochene - sagen wir zumindest 95% - verstehen. Russland ist ein Land, in dem sowohl Kommunismus als auch Kapitalismus ausprobiert wurden, und man weiß, dass beides zur Katastrophe führte. Und man diskutiert sehr umfangreich und offen über alles. Vielleicht kann es interessant sein, wenn ich etwas darüber erzähle.
Ich habe erst vor etwa einem Jahrzehnt begonnen zu verfolgen, was in den russischen Medien, im Internet und den Sozialen Netzen gesprochen wird. Was mich am Anfang richtig entsetzt hat (ich brauchte eine gewisse Zeit um das wahrnehmen zu können), war die Art und Weise, wie sich die Russen, also eine überwältigende Mehrheit von ihnen, alle Mühe gegeben haben, sich selbst zu kritisieren, erniedrigen und beleidigen. Und es gab in Russland unzählige westliche sogenannte „Nichtregierungsorganisationen“, die natürlich von dem tiefen Staat im Westen finanziert wurden, die nur eine Aufgabe hatten: In der Schmutzwäsche der russischen Geschichte, vor allem der sowjetischen zu wühlen, schmutzige Wäsche zu suchen und sie aufdringlich und penetrant den Russen unter die Nase zu halten. Aber vor etwa drei oder vier Jahren hat sich der Wind der freien Meinungsäußerung umgedreht, um 360° ... ääääh 180°. Jetzt wühlt ein wesentlicher Teil der Russen im Wäschekorb des Westens, und was man dort von schmutziger Wäsche findet, ist diplomatisch gesagt gar nicht schön - es stinkt eigentlich zum Himmel. Als Beispiel erwähne ich den Fall Solschenizyn. Es stehen immer noch viele Denkmale von ihm, die ihm die neuen russischen Oligarchen fleißig gebaut haben, um ihren Raub dessen, was die Kommunisten geschaffen haben, zu legitimieren. Durch die neue Diskussionsfreiheit konnten die Russen das Leben dieses ihres Mitbürgers gründlich, kreuz und quer erforschen, und was hat sich ergeben? Er war ein Lügner vom Range eines Barons Münchhausen. Der Westen hat ihn - und viele andere wie ihn - mit Würde und Geld überschüttet, weil er dort den dortigen Vorurteilen und vor allem der Ideologie entsprochen hat. Aber das ist Geschichte, die zwar wichtig ist zu wissen, aber etwas anderes ist für das Recht auf öffentliche Meinung viel wichtiger. Ich vergleiche es mit der Lage im Westen, vor allem in Deutschland.
Wenn man im Westen NIEMAND ist und nur wenige sozusagen Zuhörer hat, kann man beliebige Standpunkte vertreten, aber nur solange man NIEMAND bleibt. Eigentlich muss man auch hier höllisch aufpassen, welche Wörter und Bilder man gebraucht, damit der KI-Algorithmus dies nicht als Hassrede identifiziert. Alle, die nicht zu NIEMANDEN gehören, sondern nach Karrieren lechzen und bereits irgendwelche gesellschaftlichen Positionen ergattert haben, wie Professoren, Journalisten, Experten, Politiker usw. vertreten eine dem ganzen Westen eigene einheitliche Position, die absolut dogmatisch, absolut heuchlerisch und absolut verlogen ist. „Was der reiche Westen heute feiert, ist der offizielle Tod seiner eigenen Vergangenheit; der letzte Abschied vom modernen Traum ... Kein Schuldgefühl mehr. Keine Skrupel. Keine über das Individuum hinausgehenden Verpflichtungen, die das individuelle Vergnügen vergiften. Die Vergangenheit ist mit Schmach und Schande ins Grab gesunken.“ (Bauman Zygmunt, Ansichten der Postmoderne, Argument-Verlag, Hamburg, 1995, S. 214.) Die Russen haben sozusagen keine Lust mehr für die sogenannten individuellen Freiheiten. Viel mehr ist ihnen Wohlstand wichtig, auch einige andere Werte, wie etwa Recht auf eigene Meinung. Genau das ist in Russland anders als im Westen. Im Parlament sitzen Kommunisten und Liberalen, in der Regierung auch, sowie in Massenmedien, Schulsystem usw. In den Diskussionen werden von prominenten Persönlichkeiten wirklich gegenseitige Standpunkte vertreten und verteidigt. Man will z.B. wissen, warum Stalin ein davor nie gesehenes Wirtschaftswachstum gelungen ist und warum nach ihm alles schnell degeneriert ist, nur nach ein paar Jahrzehnten auf der Oberfläche Dummköpfe wie Gorbatschow und Jelzin aufgetaucht sind. Das ist eine richtige wissenschaftliche Frage, die mit „Tyrannei“ und Gulag so gut wie nichts zu tun hat. Natürlich wird in den russischen Diskussionen insbesondere der Liberalismus in der Jelzin Zeit sehr genau analysiert, also die Zeit der individuellen Freiheiten. Und da kann keiner den Russen „erklären“, wie erfolgreich dieser Liberalismus war - er war eine Katastrophe, die der des 2. Weltkrieges ganz nahe stand. Für die Russen besteht der Wert dieser Konfrontation der Meinungen nicht darin, dass man glücklich wird, nur weil man „frei“ ist etwas zu sagen, sondern weil dies der Suche nach besseren gesellschaftlichen und ökonomischen Lösungen führt. Es ist ein feiner aber dennoch wesentlicher Unterschied, ein Unterschied zwischen zweckmäßiger und abstrakter Freiheit. Die erste braucht man in verschiedenen praktischen Bereichen, die andere ist ein ideologischer Klassenbetrug.
Ich bin nie Müde zu wiederholen, wie der neoliberale oder koloniale Kapitalismus ein Verrat an den Werten des frühliberalen und frühmodernen Epoche ist. Der Neoliberalismus ist eine Degeneration des ursprünglichen Liberalismus, eine Ideologie - eine Klassenlüge. Die Freiheit der frühmodernen und frühliberalen Denker und Philosophen war keine individuelle Freiheit. Der Ideal der sogenannten „individuellen Freiheiten“ war von Anfang an ein ideologischer Kampfbegriff, genauer gesagt der ideologische Kampfbegriff der neoliberalen Konterrevolution, die Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen hat. Der einzige Weg, zu dem die angebliche „individuelle Freiheit“ führt ist eine brutale und antihumane orwellsche Ordnung - unsere Postmoderne.Warum gerade die Abschaffung dieses falschen und verlogenen Ideals die Voraussetzung für eine humane und gerechte zukünftige Ordnung ist, werde ich demnächst sehr umfangreich darstellen und argumentieren. Wo wir ansetzen müssen, sind die Werte der frühen Moderne, zu denen zweifellos auch manche des frühen Liberalismus und der frühen Moderne gehören.
„Wenn die Not am größten, ist die Rettung am nächsten“ - hoffentlich
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Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen. |
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Heinrich Heine (1797-1856) |
Ist nämlich die politische Klasse in Ukraine ein Brandbeschleuniger der Russophobie und des Dranges nach Osten im postsowjetischen Raum, dasselbe gilt für die politische Klasse in Deutschland. Ist das seltsam oder verrückt? Gerade Deutschland bzw. ihre politische Klasse nimmt sich Recht, mehr als jede andere im „alten Europa“ Russen etwas penetrant vorzuwerfen und ihnen Moral zu predigen. Unser Meisterdenker der moralischen Anmaßung und Heuchelei Kant lässt grüßen! Diejenigen, die in „den gestirnten Himmel über sich“ starrten, haben schon immer bedenkenlos und gewissenslos unter den Füßen Menschen aus Fleisch und Blut zertrampelt. Gut ... eigentlich nicht gut, aber so ist der Mensch ... der Mensch ist bekanntlich schon immer schlau genug gewesen, anstatt sich etwas selber zu erschaffen, es klauen zu wollen. Eine andere Ähnlichkeit zwischen Ukraine und Deutschland ist für mich jedoch viel bedenklicher, die fatal zu sein erscheint. Ich sage nicht welche, aus dem folgenden Text wird es Leser selbst herausfinden - oder auch nicht.
Es hat keiner erwartet, nicht einmal die russischen Geheimdienste, dass Ukrainer - sie haben nämlich vor nicht allzu langer Zeit für Verbleib in Russland demokratisch abgestimmt - nach nur wenigen Jahren in der Unabhängigkeit bereit sein werden, Kanonenfutter für Westen zu sein. Warum nämlich gerade Ukrainer und nicht andere? Sieben Jahrzehnte lang hat bekanntlich die Sowjetunion gerade aus der Ukraine die industriell und technologisch stärkste sowjetische Republik gemacht. Mehr als anderswo wurden gerade dorthin systematisch Talente und Spezialisten geschickt - schließlich sprachen über 90% zuhause Russisch und ihre Eltern und Urgroßeltern haben sich für Russen gehalten. Und gerade diesen Menschen ist das seltsame Kunstwerk gelungen, schon nach wenigen Jahren nach der Unabhängigkeit ihre Industrie zugrunde zu richten - und zwar in jeder Hinsicht. Pro Kopf betrachtet ist die Ukraine schon vor dem Krieg auf die vorletzte Stelle in Europa zurückgefallen, nur das schon immer unterentwickelte und rurale Gebiet Moldawien konnten sie nicht unterbieten. Die Kommunisten haben also ein Land mit hervorragenden Ausgebildeten und Spezialisten hinterlassen, die sich in Bezug auf Russland für ein Land der Dichter und Denker hielten und es nicht „verheimlicht“ haben, aber gerade sie wurden die leichteste Beute der westlichen Propaganda. ... Auch das hat sich noch in der Ukraine bestätigt, dass Faschismus oder Nazismus nicht eine Anomalie des ("freiheitlichen" und "demokratischen") Kapitalismus sind, sondern ein Versuch Kapitalismus zu retten.
Mit dieser verspäteten Nation des 21. Jahrhunderts der Dichter und Denker sieht es jetzt gar nicht gut aus. Wie es mit der verspäteten Nation des vorigen Jahrhunderts aussieht ... weiß man noch nicht genau. Man soll hoffen, wie es ein anderer Spruch sagt, „wenn die Not am größten, ist die Rettung am nächsten.“ Es gibt tatsächlich Stimmen der Vernunft auch in Deutschland, eine von ihnen wäre diese ... man findet auch eine andere es gibt auch weitere ... und wahrscheinlich noch manche ... hoffentlich: Die Hoffnung stimmt zuletzt.