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  Der real existierende Kapitalismus und Kriege als sein Schicksal und Verhängnis (3)
 

Das Verlassen des Keynesianismus und die neoliberale Konterrevolution waren für die deutsche akademische Wirtschaftswissenschaft nur ein weiterer Beweis dafür, dass die Auffassung von einem Nachfragemangel schon immer ein Irrtum war. Nun konnten sich die deutschen „Eliten“ berechtigt fühlen, die unsozialen neoliberalen Reformen rücksichtslos umzusetzen. Bei solchen Reformen wird immer erklärt, dass vorerst alles schlimmer sein werde, aber irgendwann dann alles besser. Bald war es tatsächlich besser, aber nicht wegen dieser Reformen. Völlig unerwartet ist nämlich der Kommunismus in sich zusammengebrochen. Musste davor die „verspätete Nation“ (Helmuth Plessner) für Absatzmärkte und Kolonien mit alten kapitalistischen Nationen brutal kämpfen, ist ihr jetzt alles einfach so in den Schoss gefallen. Was man in der DDR angerichtet hat, hat Wenzel (Was war die DDR wert?) ausführlich beschrieben. Die in Jahrzehnten des Kommunismus geschaffenen Technologien waren um etwa ein Drittel weniger produktiv als die westlichen, was im internationalen Rahmen außerordentlich gut war, man hat aber gleichwohl alle Produktionskapazitäten „verschrottet“, um den westdeutschen einen leeren Absatzmarkt zu schaffen. Dabei ging es auch darum, die dortigen Kader aus den höheren Positionen zu beseitigen und mit westlichen zu ersetzen - wie man es auch sonst bei besiegten Ländern immer macht. Die neuen deutschen Länder hatten dabei noch Glück, da hier das westliche Kapital auch einige soziale Verpflichtungen übernommen hat, mit anderen exsozialistischen Ländern ging man unheimlich brutaler um. Genauer brauchen wir diese Problematik hier nicht zu behandeln, nur noch eines verdient doch angemerkt zu werden. Im Allgemeinen betrachtet hat die ökonomische Kolonisierung der exsozialistischen Länder dem Westen neben den neuen Absatzmärkten etwas gebracht, was bei den früheren Kolonien nicht der Fall war. Die Kommunisten haben viel in Gesundheit, Sport und Bildung investiert, da  für den „neuen Menschen“ das höchste Ziel die geistige und körperliche Selbstverwirklichung sein sollte, und diese menschliche Ressource („Humankapital“) konnten  die westlichen Unternehmen sofort als Extraprofit verbuchen. Was die kapitalistische Wirtschaft prinzipiell unfähig ist zu produzieren, also Kinder, Gesundheit und Bildung, ist ihr wie Manna vom Himmel gefallen.

Die deutschen Reformen waren aus noch einem Grund erfolgreich, aus einem niederträchtigen Grund. Da in der EU mit dem Euro eine gemeinsame Währung eingeführt wurde, konnte Deutschland durch Lohn- und Sozialdumping seine Konkurrenzfähigkeit verbessern und dadurch ist es ihm tatsächlich gelungen, zum Exportweltmeister zu werden. Aber einmal abgesehen davon, dass die Reformen niederträchtig und unsozial waren, hat man aus  neoliberaler Sicht sowohl in Deutschland als auch in anderen westlichen Staaten alles richtig gemacht. Es sollte zumindest ein längerer kräftiger Aufschwung kommen - wenn nicht sogar ein neues Wirtschaftswunder -, es kam aber was kommen musste, nämlich die periodische Krise, die sogenannte „globale Banken- und Finanzkrise“ im Jahre 2008. Sie hat sich nicht zu einer nächsten Großen Depression, ähnlich der des Jahres 1929, ausgewachsen, vor allem deshalb, weil sich die Regierungen an den prominentesten neoliberalen Konterrevolutionär Friedman erinnert haben. Die Große Depression hätte nach Friedman die Regierung bzw. die Notenbank verursacht, indem sie die Geldmenge verknappte. Um den gleichen Fehler nicht zu wiederholen, hat man nun so viel Geld gedruckt, wie die Banken sich gewünscht haben. Man war sich danach auch sicher, alle „strukturellen Ungleichgewichte“ beseitigt zu haben - das sagen die „Wirtschaftsexperten“ immer, wenn sie konkret nichts sagen können -, und wieder auf Aufschwung gewartet, der sich bis heute nicht einmal ansatzweise gezeigt hat, im Gegenteil. Mehr als zwei Jahrzehnte danach wächst nur Armut und Unsicherheit. Nachdem die alte westliche Oligarchenkaste schon genug Erfahrung damit hat, was die Krise wirklich bedeutet und dass sie nicht einfach so verschwindet, ist ihr klar geworden, was zu tun ist. Nämlich sich umzuschauen, wo es noch Absatzmärkte und Ressourcen auf unserem Planeten gibt, die man ergattern kann, entweder durch regime change, also „human“, oder auf die klassische Weise, also durch einen „gerechten“ Krieg. Wie es Winston Churchill auf seine zynische Weise zum Ausdruck brachte: „Never waste a good crisis“ - also vergeuden Sie nie eine gute Krise. Das dürfte wieder einmal genau so einfach sein wie bei der Entdeckung der neuen Kontinente, nachdem der Westen ohne eigene Verdienste den Kommunismus als Konkurrenten losgeworden  und zum unbestrittenen Hegemon geworden ist.

Die ersten Opfer waren politisch und militärisch schwache Länder, wie Jugoslawien, Irak, Syrien, Libyen. Diese Kriege werden auch als asymmetrisch bezeichnet. Stärkere Länder haben sich einfach entschieden, ein schwächeres zu überfallen - wie damals, bei der Eroberung der neuen Welt. Die Kosten dieser räuberischen Kriege waren niedrig und die ökonomischen Gewinne erheblich. Nebenbei bemerkt, den wertvollsten Teil der Beute, also die Naturressourcen, haben die Amerikaner für sich behalten und europäische Global Player, vor allem deutsche, haben neue Absatzmärkte erhalten - ebenfalls eine ordentliche Beute. Alles ist gut gelaufen für die westlichen Kapitalisten - also für die westliche Oligarchenkaste. Nachdem aber die Krise der Wirtschaften in Nordamerika und Europa im Jahre 2008 doch nicht durch Gelddrucken überwunden werden konnte, sondern weiter dauerte und sich sogar vertiefte, musste man mehr von dem tun, was man schon immer getan hat. Man musste, sei es durch List oder Gewalt, im „Rest der Welt“ immer weitere Absatzmärkte und Ressourcen erschließen. Manche sagen, dass der nächste Weltkrieg des kollektiven Westens gegen den globalen Süden bereits begonnen habe, und zwar als Stellvertreterkrieg in der Ukraine. Und es wird ständig auch über einen angeblich unvermeidbaren Krieg mit China gesprochen. Aber schon der Krieg mit Russland hat sich nicht als einer der gewohnten „asymmetrischen“ Kriege erwiesen und auch einiges andere scheint nicht nach dem ursprünglichen Plan des kollektiven Westens zu laufen. Alles spricht dafür, dass die westliche Oligarchenkaste die geopolitische und ökonomische Lage der Welt ganz falsch eingeschätzt hat – d. h. sich selbst überschätzt und andere unterschätzt hat. Man wollte nicht wahrnehmen, dass zum ersten Mal seit Jahrhunderten der „Rest der Welt“ dem kollektiven Westen überlegen ist, was natürliche, militärische, demographische und technologische Ressourcen angeht.

Trotzdem lässt sich nicht ausschließen, dass der Westen durch die altbekannte und nicht selten erfolgreiche Strategie des divide et impera doch noch siegen könnte und sich den ganzen Planeten unterwirft. Die „einfachen Menschen“ in den westlichen kapitalistischen Ländern sollten sich aber über die Verbreitung der westlichen „Werte“ und „Demokratie“, also über die erneuten Kolonisierung des „Rests der Welt“, gar nicht freuen, im Gegenteil. Die drei „goldenen Zeitalter des Kapitalismus“ nach dem letzten Weltkrieg waren etwas, was nicht dem „echten“ Kapitalismus entspricht, sondern eines durch kommunistische Konkurrenz erschrockenen Kapitalismus, der sich gezwungen gesehen hat, human und sozial zu sein. Der postmoderne Kapitalismus, in dem sich seine Oligarchenkaste vor nichts fürchten und wegen nichts genieren will, wird brutal und unmenschlich sein, weil die freie Marktwirtschaft nicht anders funktionieren kann. Diesen „echten“ Kapitalismus haben neben Marx noch viele andere beschrieben. Zu den berühmtesten historischen Beschreibungen des Kapitalismus während seines Entstehens zählt die von Alexis de Tocqueville (1805-1859), die er auf seinen bekannten Reisen durch die USA verfasste. Dorthin hat ihn die französische Regierung geschickt, damit er sich umschaut, was für eine neue Ordnung dort entsteht. Daraus entstand sein berühmtes Werk De la démocratie en Amérique, wo er schreibt: „Die landbesitzende Aristokratie der vergangenen Zeitalter war durch das Gesetz verpflichtet oder glaubte sich durch die Sitten gehalten, ihren Dienern zu Hilfe zu kommen und ihre Not zu lindern. Die Aristokratie der Fabrikanten unserer Tage jedoch überläßt die Menschen, nachdem sie sie in ihrem Dienst elend und stumpf gemacht hat, in Krisenzeiten der öffentlichen Wohltätigkeit, um sie zu ernähren“. Und sein allgemeiner Eindruck: „Im ganzen genommen, die Aristokratie der Fabrikanten, die wir vor unseren Augen erstehen sehen, ist eine der härtesten, die auf Erden erschienen ist“ (1987: 239). Da Tocqueville v. a. die politische Ordnung (Demokratie) und weniger die ökonomische interessierte, ist ihm entgangen, dass die Amerikaner die ökonomische Krisen der neuen Ordnung durch Landraub an den indianischen Völkern und Ausbeutung der Ressourcen zu bewältigen pflegten. Später haben die USA durch europäische Kriege profitiert, die es ihnen ermöglichten, sich von ihren Schulden zu befreien. Dann folgten die unendlichen NATO-Kriege, um mit dem Rest der Welt das Gleiche zu tun wie mit den amerikanischen Indianern und ihrem Land.

So wie der Kapitalismus ist, wird er immer bleiben. Der real existierende Kapitalismus, also die neoliberale „freiheitliche“ Ordnung, ist ein in sich geschlossenes Paradigma und kann nur in diesem Rahmen funktionieren, in dem es keine Alternativen ohne Krieg, ohne Ausbeutung und Zerstörung unseres Planeten gibt. Das Beste, was die Völker der westlichen kapitalistischen Länder jetzt tun könnten ist, dass sie sich weigern in den Krieg gegen den „Rest der Welt“ zu ziehen. An dieser Stelle soll bemerkt werden, dass die herrschenden Klassen an allen Orten und zu allen Zeiten stets eine Ethik von Gut und Böse benutzten, um Zustimmung und Begeisterung für Kriege beim Volk zu erzeugen, also kollektive Instinkte für eine Selbstopferung zu wecken. Dies wird im nächsten Kapitel im Rahmen der Untersuchung der Ideologie des real existierenden Kapitalismus näher behandelt.

10.3 Der erste moderne Kommunismus bzw. Sozialismus als Opfer von Metaphysik und Dilettantismus

Marx hat nach eigener Auffassung die Philosophie von Hegel „vom Kopf auf die Füße“ gestellt. Damit meinte er, die idealistische Dialektik von Hegel durch eine materialistische Dialektik zu ersetzen, ohne etwas an der Methodologie ändern zu müssen. Für die schon erörterte dialektische Methodologie ist festzustellen, dass sie schon deshalb nicht wissenschaftlich sein kann, da sie prinzipiell der formalen Logik widerspricht. Aber die dialektische Methodologie kann nicht alleine für alles verantwortlich sein, was in den Marxschen Sozialwissenschaften falsch ist. Dort findet man auch noch Schlussfolgerungen, die formal logisch und mathematisch falsch sind, und es wird eklatant gegen Tatsachen verstoßen. Es ist angebracht, dies mit Beispielen kurz zu belegen.

10.3a  Die angebliche Tendenz der Kapitalakkumulation als Ursprung aller verfehlten Prognosen von Marx

Schon in der Dialektik vor Marx galt, dass die historische Entwicklung eine quantitative Komponente (Substanz, Entität) hat. Bei Hegel ist es der Geist („Weltgeist“), der in seiner Quantität ständig wächst. Man kann sich unter dem quantitativen Wachstum des Geistes etwa die  Fortentwicklung der Wissenschaften und Kultur vorstellen, aber wie sollte sich die Materie quantitativ fortentwickeln? Nebenbei bemerkt, in der klassischen Physik kann die Materie weder aus Nichts entstehen noch verschwinden und das war Marx wahrscheinlich bekannt. Marx hat die Lösung in der damaligen Politischen Ökonomie gefunden.

Zur Materie gehören auch materielle Güter, die durch Arbeit bzw. durch „produktive Arbeit“ (Smith) zustande kommen. Aus dieser Abhängigkeit Güter-Arbeit folgert Marx, dass die Arbeit die Materie ausreichend gut repräsentiert, und er widmet sich weiterhin der Erforschung der Arbeit. So wurde er zum Ökonomen. Der Mensch benutzt für die Arbeit auch Werkzeuge und immer kompliziertere Maschinen, die durch Arbeit hergestellt werden, letztendlich also auch nur Arbeit sind. Diese Arbeit bezeichnet er als „vergangene“, „tote“, „geronnene“, die man ökonomisch als (reales) Kapital bezeichnet. Indem Maschinen - ökonomisch ausgedrückt Kapital - immer komplizierter werden, steckt in ihnen angeblich immer mehr Arbeit. Diese Arbeit entspricht bei Marx bzw. in seiner materialistischen Philosophie der immer weiter steigenden Quantität. Das Verhältnis zwischen der toten Arbeit in der Maschine (Kapital) und der lebenden Arbeit (ihres Bedieners) bezeichnet er als.„Organische Zusammensetzung des Kapitals“. Wo liegt aber das Problem?

Den Beweis, dass der Kapitalist, wenn er produktivere Maschinen kauft, immer Maschinen kauft, in denen mehr tote Arbeit steckt als in den alten, liefert Marx im Band 3 des Kapitals. Er benutzt dafürseine berühmten Reproduktionschemata. Sie sind nichts anderes als die kreislauftheoretische Analyse, die schon der französische Ökonom Quesnay ein Jahrhundert davor entworfen hatte (Tableau Économique, 1758). Formal betrachtet sind die Marxschen Schemata sogar einfacher. Sie werden durch zahlenmäßige Beispiele dargestellt, für die Marx nur simple arithmetische Operationen benutzt, so dass es kaum berechtigt ist, von einer echten mathematischen Analyse zu sprechen. Es ist eigentlich noch schlimmer. Marx schiebt Zahlen hin und her, so wie es ihm passt, um damit zu zeigen, dass bei der Ersparnis der Arbeit (Steigerung der Produktivität) das Verhältnis zwischen der toten und lebenden Arbeit („organische Zusammensetzung“) steigt. Hier ist ein spitzfindiger Tüftler am Werk, der sich als Mathematiker ausgibt. Eine mathematische Analyse, die komplex genug ist, kann eindeutig zeigen, dass sich beim Einsparen der lebenden Arbeit jedoch keine Tendenz zu einer Steigerung der organischen Zusammensetzung ergibt (Simek 1997: Kapitel 3).

An dieser Stelle ist es erwähnenswert, dass durch Simulation einer quantitativen Analyse, also durch hin und her schieben der Zahlen, Marx im Band 2 seines Kapitals einen theoretischen Beweis für die Richtigkeit seiner Arbeitswertlehre vorgelegt hat, indem er meinte bewiesen zu haben, dass die Summe der (nominalen) Preise identisch der Summe der (Arbeit-)Werte in einer Wirtschaft ist. Wenn man seine Zahlen in ein in sich schlüssiges mathematisches Modell einordnet, stellt sich aber heraus, dass Marx „entgangen“ ist, dass in seinem „Beweis“ die Profitrate nicht durchschnittlich gleich geblieben ist, was für ihn sonst außerordentlich wichtig ist. Auch hier kommt uns wieder Zenon in den Sinn: Man braucht nur die logische Komplexität des Denkens genug zu senken, und jeder Unsinn strahlt auf einmal als der logischen Wahrheit letzter Schluss.

Bemerkung: In der Praxis kann der Preis der Maschine im Verhältnis zu  den Löhnen steigen, weil im Kapital auch noch andere Kosten stecken als nur die der Arbeit, etwa Materialkosten, z.B. Eisen. Eine Eisenhütte kann freilich den Preis des Eisens ständig erhöhen, wenn der Boden, auf dem sie steht, als Erz unter dem Boden privat ist. Aber dieses Verhältnis (Kapitalintensität) ist etwas anderes als die „organische Zusammensetzung“. Wahrscheinlich war diese Verwechslung der wichtigste Grund dafür, warum der größte Irrtum der Marxschen Theorie so lange nicht einmal bemerkt worden ist und seine Tragweite noch immer nicht richtig eingeschätzt wird. Der weitere Grund wäre, dass Marx damit den Sparer honoriert, und der bürgerlichen Theorie passte dies bestens in den Kram.

Mit der „organischen Zusammensetzung“ meinte Marx herausgefunden zu haben, warum im Kommunismus die Produktivität schneller als im Kapitalismus steigen und diesen schnell überholen werde. Im Kapitalismus wird nämlich nicht alles investiert, was dem Arbeiter nicht als Lohn bezahlt wird („Mehrwert“), weil der Kapitalist viel davon für sein luxuriöses Leben ausgibt. Im Kommunismus werde es das nicht geben, alles werde in Investitionen gehen, was notwendigerweise schnelleres Wachstum und Produktivitätswachstum bringen würde. In der Tat sind kommunistische Länder nach der Revolution sehr schnell ökonomisch gewachsen – am erfolgreichsten war dabei die UdSSR unter Stalin. Das dauerte allerdings nur so lange an, wie die Kommunisten technisches Wissen des Kapitalismus kopieren konnten und solange die Menschen motiviert waren, den Sozialismus aufzubauen. Und damit kommen wir zum nächsten Problem des Marxismus.

10.3b  Produktive Arbeit als angeblich neues Bewusstsein und elementares Bedürfnis des neuen Menschen

Nach dem letzten „Umschlag der Quantität zu Qualität“, also nach der proletarischen Revolution, sollte sich nach dem Marxschen historischen Materialismus sogar der Mensch in seiner Natur oder anders gesagt in seinem Bewusstsein wesentlich ändern. Vor allem sollte sich die Einstellung der Menschen zur produktiven - eigentlich manuellen - Arbeit ändern. Das ist ausführlich in Band 1 des Kapitals beschrieben:

In den Klassengesellschaften war die produktive Arbeit immer ein Fluch für die arbeitenden Klassen, sie waren von ihr „entfremdet“, weil sie „exploitiert“ (ausgebeutet) wurden. Im Kommunismus – im „Reich der Freiheit“ -, wo keiner die arbeitende Klasse mehr exploitieren wird, werde die produktive Arbeitzum ersten menschlichen Bedürfnis werden. Die Kooperation würde die Konkurrenz völlig ersetzen können. Planung und Buchführung werde die brutale Konkurrenz ersetzen, die einfach überflüssig wäre, da jeder Arbeiter ehrlich und fleißig arbeiten würde. Für eine gewisse Zeit nach der Revolution waren die Arbeiter in der Tat sehr motiviert zu arbeiten und die kommunistischen Wirtschaften haben beachtliche Erfolge erzielt. Diese Motivation gab es aber nur bei der Generation der Arbeiter, die sich noch an die brutale Ausbeutung im Kapitalismus erinnerte. Schon bald hat sich gezeigt, dass das „neue Bewusstsein“ nur eine Schnapsidee war und der Mensch so geblieben ist, wie schon immer. Der Kommunismus scheiterte, als immer mehr Menschen zu Trittbrettfahrern wurden - in der Wirtschaft insbesondere, anderswo auch. Er ging an demselben Irrtum zugrunde, den etwa schon Spinoza bei allen Utopisten diagnostiziert hat: „Sie glauben dergestalt etwas Erhabenes zu tun und den Gipfel der Weißheit zu erreichen, wenn sie nur gelernt haben, eine menschliche Natur, die es nirgendwo gibt, in höchsten Tönen zu loben, und diejenige, wie sie wirklich ist, herunterzureden. Sie stellen sich freilich die Menschen nicht vor, wie sie sind, sondern wie sie sie haben möchten; und so ist es gekommen, daß sie statt einer Ethik meistens eine Satire geschrieben und niemals eine Politik-Theorie konzipiert haben, die sich auf das wirkliche Leben anwenden ließe; produziert haben sie nur etwas, das als eine Chimäre anzusehen ist oder das man in Utopia oder in jedem goldenen Zeitalter der Dichter, wo dies führwahr am wenigsten erforderlich war, hätte errichten können“ (Politischer Traktat: 7).

Das Leben treibt manchmal grausame Scherze mit uns, auch Marx ist davon nicht verschont geblieben. Kein anderer als sein Schwiegersohn Paul Lafargue hat in seinem Buch Das Recht auf Faulheit erklärt, dass das Wesen des Menschen nicht in der produktiven Arbeit liege, sondern in der Freude am Müßiggang und Konsum. Wir werden nie herausfinden, ob der Schwiegersohn so überzeugend war, dass Marx im Band 2 und 3 des Kapitals nicht mehr über die „Selbstverwirklichung des Menschen“ durch produktive Arbeit sinniert. Ganz bescheiden sieht er den Sinn dieser Arbeit nur noch darin, dass sie die Voraussetzungen für mehr Freizeit schafft.

Aus diesen Beispielen lässt sich entnehmen, dass eine Methode, die nicht auf einer komplexen Logik beruht, nur ein Geschwätz ist, ohne Bezug zur Realität. Im nächsten Kapitel wird das näher untersucht und gezeigt, dass eine reduktionistische Erkenntnistheorie ganz und gar nicht geeignet ist, als Wissenschaftsphilosophie für die Sozialwissenschaften zu dienen. Eine solche Erkenntnistheorie, die weder systemisch noch empirisch ist, findet ihre Verwendung und ihren Nutzen lediglich darin, Ideologien für herrschende Klassen zu entwerfen.

Fortsetzung folgt

 
 
 
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