Zum Thema Gruppenarbeit (Organisation, Motivation, ...)

Zwei Beispiele und dann noch eine gemeinsame Schlussfolgerung .

Attac-Waiblingen und die Wirtschaftsgruppe

Als Teenager war ich ca. zehn Jahre politisch außerordentlich aktiv - ich war einfach überall. Dann bin ich viele Jahre im Privaten verschwunden. (Ich war ein Jahrzehnt bei der SPD, aber total passiv.) Erst in diesem neuen Jh. war ich zuerst drei-vier Jahre bei Attac. Dann nicht mehr, seitdem ich etwa vor vier Jahren mein Blog betreibe. Als die Partei WASG entstanden ist, war ich in 2 Wirtschafts- und in einer Programmgruppe. Die Arbeit dieser Gruppen ist mehrere Monate lang sehr gut gelaufen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Parteispitze - nach der Fusion mit den Linken - alle Fäden selbst in die Hand nahm. Danach brauchte man uns nicht mehr. (Wegen dieser Dreistigkeit wurde ich auch nie Parteimitglied.) Ich beschränke aber im Folgenden meine „Rede“ auf Attac, ohne viel Details. Es geht mir vornehmlich nur um Schlussfolgerungen. Sollte dich der ein oder andere Punkt doch mehr interessieren, dann kann ich mehr dazu sagen.

Die Attac-Gruppe Waiblingen hatte in Durchschnitt etwa fünfzehn „Mitglieder“ und wir trafen uns einmal im Monat. Außer mir und zwei weiteren Mitgliedern haben sich die anderen nicht besonders für ökonomische Fragen interessiert (1), so dass wir als eine Untergruppe agiert haben. Wir trafen uns zusätzlich ein weiteres Mal im Monat. Wir drei Kumpanen also, und es kamen noch durchschnittlich ein bis zwei weitere dazu. Es waren aber die Neugierigen, die nie lange geblieben sind. Meistens wurde bei unserem Treffen einfach nur spontan diskutiert, ab und zu ergab sich auch ein komplexes Thema. Wenn dieses Thema aktuell genug und damit für die ganze Attac-Gruppe interessant war, haben wir es der ganzen Gruppe vorgetragen. Meistens kam das Thema von mir. Ich habe meine Themen immer als ausführlichen Aufsatz ins Internet gestellt. (Wir hatten eine Attac-Waiblingen-Website - die es jetzt nicht mehr gibt.) Meine Themen waren hauptsächlich fachlich (2), die anderen haben es so gemacht: sie haben einen Zeitungsartikel oder ein Buch gelesen, daraus dann vorgelesen und es interpretiert. Es war aber nicht, sie davon zu überzeugen, ihren Vortrag ins Internet zu stellen (3). Sie hatten keine Probleme damit, ihre Themen vorzutragen und eine Diskussion darüber zu moderieren. Sie können nämlich mit einfachen Worten etwas erklären, sozusagen „von Nichtexperten für Nichtexperten“.

      Schlussfolgerungen:

  (1)

Die große Mehrheit einer Gruppe ist eine passive - eher schweigende - Mehrheit, egal zu welchem Zweck eine Gruppe existiert. Die Motivation der Passiven ist verschieden - und nicht ergründbar. Die Passiven wollen auch nicht, dass man sie kontaktiert - keine Telefonnummer und keine Emailadresse. Sie wollen sich anonym erkundigen, was vor sich geht und wann etwas Interessantes geschieht. Dann kommen sie gerne - manchmal bringen sie weitere Freunde mit. Folglich sind sie durch lokale Zeitungen und das Internet bestens erreichbar und benachrichtigt. Nur so lässt sich erklären, warum - als wir interessante Themen hatten - zum Treffen deutlich mehr kamen als sonst.

Als wir über das Thema Banken mehrere Vortragsabende organisiert haben, kamen etwa zweihundert. Wenn wir halbwegs bekannte Persönlichkeiten hatten, kamen mehrere Hunderte.

  (2)

Das hat natürlich damit zu tun, dass die Ökonomie mein Fach ist, und dass ich in den letzten Jahren nichts anderes tue, als mich mit ökonomischen Theorien herumzuschlagen. Siehe z.B. mein Literaturverzeichnis .... >

  (3)

Es ist einfach so, dass nicht alle Menschen fähig sind, einen Aufsatz zu schreiben. (Man hat möglicherweise nach der Schule nur ein paar Mal pro Jahr Briefe geschrieben.) In einem Stück zusammenhängend zu schreiben und zu argumentieren verlangt Übung und ein bisschen Talent - wie alles. Wenn man diese Menschen trotzdem „ermutigt“ zu schreiben, macht man sich nur „unbeliebt“. Das ist nicht unbedingt empfehlenswert!


Blogs, Blogger, Internet

Jetzt meine Erfahrung mit „modernen“ Kommunikationstechniken. Damit meine ich vor allem Blogs. Ich kommentiere oft Themen auf einigen Blogs (querschuesse, feynsinn, adsinistram, wiesaussieht, globalchange, telepolis, misik, lebohemien ...), die mehrere tausende Besucher pro Tag haben (1), manchmal auch bei der F.A.Z und Freitag. Die Anzahl der Kommentare übersteigt bei diesen Blogs die hundert (bei wiesaussieht auch mehrere hunderte). Die große Mehrheit sind jedoch die treuen Kommentatoren. Ihre Zahl ist mehrere Mal kleiner als die Zahl der Kommentare - es sind 1-2 Dutzend (2). Die guten Blogseiten haben aber immer wieder Gastbeiträge (3). Meistens gestaltet ein Blogger alleine die Website, seltener sind es zwei oder drei (4).

      Schlussfolgerungen:

  (1)

Wie bei dem „klassischen“ Treffen, auch hier ist die Mehrheit passiv. Warum lesen sie diese Blogs? Meine Erklärung: Aus dem gleichen Grund, warum sie z.B. die BILD lesen: Sie lesen, weil es für sie unterhaltsam ist, weil sie etwas besser verstehen wollen, weil sie Argumente haben wollen, wenn sie dann ganz privat, mit Kollegen und Freunden, diskutieren. Diese „Passiven“ sind sowohl für eine Bewegung, aber erst recht für eine Partei sehr weichtig.

  (2)

Diese Kommentatoren schreiben meistens nur anonym - nur mit ihrem Nicknamen - auf jeden Fall möchten sie nicht öffentlich geoutet werden.

  (3)

Es sind die mit wenig Zeit, bei denen es ab und zu für einen (Gast-)Beitrag reicht, mehr nicht. Diese Beiträge sind aber nicht selten außerordentlich stark.

  (4)

Ein Blog zu betreiben ist ein immenser Arbeitsaufwand, und das bezahlt keiner. Es ist also nicht leicht, lange auszuhalten, so dass es nur wenige schaffen.


Zusammengefasst:

Ich fasse das noch einmal zusammen, als die Erfahrung, die für unsere AG relevant sein könnten:

  (1)

Eine ganz große Mehrheit derer, die sich überhaupt für etwas „Unprivates“ interessiert, will passiv und anonym sein.

  (1a)

Sie wollen sich auch nur anonym informieren: Über Zeitungen und Internet - auch keine Emails, geschweige denn Emaillisten und ähnliches. Wenn die Zeitungen nicht verfügbar sind und wenn wir das Internet nicht für den Otto Normalverbraucher gestalten, sind sie nicht informiert und irgendwann sind sie weg. Was eine gute Gestaltung im Internet bedeutet, da kann man natürlich nichts Neues erfinden. Es müssen gut zusammengefasste Texte (Artikel) sein, wie die bei den Bloggern. (Wovon die Piratensites noch Lichtjahre entfernt sind.)

  (1b)

Die Passiven wollen einen interessanten Abend verbringen, wofür man sich aber bemühen muss, ein interessantes Thema zu finden.

  (2)

Sehr nützlich sind die Halbaktiven. Wenn man ihr Thema trifft, dann engagieren sie sich stark dafür. Ohne sie würde die Gruppe irgendwann absterben, weil ein einziger nicht alles alleine stemmen kann.

  (2a)

Unter den Halbaktiven in den AGs werden sich voraussichtlich auch diejenigen finden, die sich politisch engagieren wollen, die für etwas kandidieren wollen. Für sie ist könnte die entsprechende AG der schnellste, direkteste und ergiebigste Weg sein, sich mit Argumenten zu rüsten.

  (3)

Was diejenigen betrifft, die die ganze Arbeit leisten, möchte ich jetzt nur so viel sagen: Sie sind auch nur Menschen, die lieber das machen würden, das ihnen am besten gefällt  - und nicht wie es die anderen lieber hätten. Deshalb muss man für verschiedene Flügel - fachlich ausgedrückt: Paradigmen - Verständnis aufbringen. 

  (4)

 

  (5)