Der  Nachfragemangel wird von dem größten Ökonomen des vorigen Jahrhunderts, John M.  Keynes, bekanntlich monetär erklärt, durch Geldhortung. Deshalb ist es richtig,  von seiner Theorie als monetäre Nachfragetheorie zu sprechen. Nebenbei bemerkt  beruht diese wichtigste Theorie des vorigen Jahrhunderts auf keiner originellen  Idee. Denn die von Keynes angebotene Erklärung des Nachfragemangels durch  Geldhortung entstand schon ein Jahrhundert davor. Die hier bekannten Namen von  damals sind Sismondi (1773-1842) und Malthus (1766-1834). Das Entstehen des  Nachfragemangels durch Geldhortung konnten aber weder Keynes noch seine  Vorgänger Sismondi und Malthus überzeugend (analytisch streng) argumentieren und auch  mit den Tatsachen hatte die Hortungs-Hypothese wesentliche Probleme. Auch die  späteren Versuche der Keynesianer haben über mehrere Jahrzehnte leider keine  theoretischen Fortschritte gebracht. Deshalb kann man mit Recht davon ausgehen,  dass der Nachfragemangel im realen Bereich entstehen muss. Was bedeutet aber  „monetär“ und „real“?
 
  
    
      |  | Monetäre Theorie: |  | 
    
      |  | Unter  dem Begriff „monetäre Theorie“ können sich auch Nichtökonomen etwas vorstellen  und das ist auch meinstens - mehr oder weniger - richtig. „Moneten“ ist eine  umgangssprachliche Bezeichnung für Geld, deren Ursprung römisch ist. Eine  Münzstätte erhielt damals den Namen der Göttin Moneta, woher das Geld dann auch  diesen Namen erbte. Von diesem Wort leitet sich ebenfalls die deutsche  Bezeichnung „Münzen“ ab. Es ist also völlig richtig, wenn der Laie mit der  „monetären Theorie“ all das verknüpft, was mit Geld zu tun hat: Banknoten und  Münzen, Kredite, Schulden, Notenbanken, Banken, Börsen usw. |  | 
    
      |  | Reale Theorie: |  | 
    
      |  | Das  Wort „real“ ist sehr verbreitet und seine Bedeutung ist: richtig, wirklich,  objektiv oder auch aufrecht u. a. m. In der Wirtschaftswissenschaft ist das  anders. Unter „real“ und „reale Theorie“ wird all das verstanden, was nicht zum  Bereich des „Monetären“ und der „monetären Theorie“ gehört. Unter real versteht  man - schlicht aber sehr genau ausgedrückt - den „Rest“ der Phänomene der  Wirtschaft, die nicht auf das Geld bezogen sind. Vor allem sind da  physikalische Mengen von Gütern und anderen Dingen gemeint, wie etwa Maschinen,  Rohstoffe, Arbeit und Konsumgütern. Natürlich sind Banknoten und Münzen, Banken  und Börsen real existent, aber wenn man ökonomisch denkt, spielt das keine  Rolle. |  | 
  
  Es  gab schon früher  Versuche, den Nachfragemangel auch real zu erklären und  nachzuweisen. Diese waren aber nicht überzeugend. Sismondi, ein Schweizer  Ökonom und Historiker, vermutete, dass zeitliche Nichtübereinstimmungen zum Nachfragemangel  führen können. Das ist in etwa so zu verstehen: Auch wenn die Entscheidung der  Unternehmen zu investieren sich in diesem Augenblick ökonomisch sinnvoll  begründen lässt, könnte diese nach ihrer Realisierung doch die wachsende Volkswirtschaft  aus dem Gleichgewicht bringen. Sismondi hat für diesen Gedanken aber keine  klare theoretische Argumentation, geschweige denn eine analytisch strenge  Formulierung geliefert. Deshalb ist er immer wieder in den monetären Bereich  abgerutscht. Außerdem: Sollte das Investieren  generell ein Nachfrageproblem  verursachen, wie wäre dann Wirtschaftswachstum überhaupt je möglich? Darauf  hatte Sismondi keine Antwort. Die britische Ökonomin Joan Robinson hat diesen  Widerspruch exakt auf den Punkt gebracht: „Die Sparsamkeit ermöglicht eine hohe  Akkumulationsrate und behindert gleichzeitig ihre Realisierung. Dieses paradoxe  Wirken der kapitalistischen Spielregeln ist eine der Hauptfragen, die wir durch  ökonomische Analysen aufzuhellen hoffen“ (Robinson 1958: 75). Die so genannte  kreislauftheoretische Analyse kann hier Klarheit bringen. Sie zeigt aber auch,  dass die Kapitalakkumulation nicht immer einen Nachfragemangel verursacht –  wenn nämlich andere Faktoren für mehr Nachfrage sorgen. Das ist im Buch genau  erklärt, die „trockene“ mathematische Formulierung dieser Erklärung steht auf  der Website.  
 
  Die  kreislauftheoretische Analyse zeigt, dass auch die (allgemeine)  Preissenkung (Deflation) den realen Nachfragemangel verursachen  kann. Ich bin der Überzeugung, dass in diesem Fall auch ein Laie das Entstehen  des Nachfragemangels schnell nachvollziehen und leicht verstehen kann. Wenn  also du, lieber Leser, vielleicht Ökonomie nicht studiert hast, wirst du die  Idee des realen Nachfragemangels auf jeden Fall begreifen, wenn du dir nur ein  Bisschen Zeit nimmst. Die nachfolgenden anschaulichen Bilder werden dir das  noch zusätzlich erleichtern:
  In  den folgenden Bildern ist die Struktur einer einfachen (links) und einer  komplizierteren Wirtschaft (rechts) schematisch dargestellt.
  
    
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  Die  kleinen Punkte sind Unternehmen. Die Pfeile, die aus ihnen herausgehen (Outputs), zeigen  Ströme der realen Güter, also Gütermengen, die  ihren Preis bzw. Gesamtpreis haben.  Die Pfeile, die in die Unternehmen hineingehen (Inputs), sind  Einkünfte, die  entstehen, nachdem die Unternehmen ihre Produktion abgesetzt haben. Der äußere Kreisring in  beiden Bildern ist der Markt der Konsumgüter. Dort werden die bereits  produzierten Güter  getauscht,  also verkauft und gekauft - um danach (nur) konsumiert zu werden. Produziert wird  (nur) im inneren Kreis. Im linken Bild gibt es offensichtlich nur Konsumgüterhersteller.  Ihre Güter werden schließlich von all denen nachgefragt, die in den  Unternehmen ihr Einkommen beziehen (Löhne, Profit, Rente, Zinsen). Es ist  offensichtlich, dass hier kein Nachfragemangel entstehen kann - wenn alle Einkünfte der Wirtschafsakteure verbraucht sind. Auch die Preisschwankungen ändern daran nichts. Wenn z. B. das  Unternehmen A seine Preise senkt (Output), wird quantitativ genau entsprechend auch sein  Einkommen sinken (Input). Umgekehrt gilt es, wenn das Unternehmen die Preise erhöht.  Preisänderungen bei den Konsumgüterherstellern sind also, wie man es  üblicherweise sagt, gleichgewichtsneutral. Für die einfache Wirtschaft, wie  die im Bild oben links, gilt also uneingeschränkt das berühmte Saysche Gesetz,  auf dem die ganze neoliberale Theorie fußt. Eine weit verbreitete Formulierung  dieses „Gesetzes“ lautet: „Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage  selbst.“
  Im  rechten Bild ist die Struktur der Wirtschaft komplizierter. Ein Teil der  Unternehmen, die sich im inneren Kreis befinden, produzieren Produktionsgüter:  Rohstoffe, Halberzeugnisse und Maschinen. Einen Teil dieser Güter benötigen sie  selbst, der Rest wird den Konsumgüterherstellern  geliefert. Dort haben wir wieder den Konsumgüterhersteller A. Es ist leicht  nachvollziehbar, dass für dieses Unternehmen dasselbe gilt wie im linken Bild.  Wenn es billiger (oder teurer) verkauft, verdient es um den exakt gleichen  absoluten Wert weniger (oder mehr). Auch hier beeinflusst der  Konsumgüterhersteller durch seine Preisänderungen das allgemeine Gleichgewicht  nicht. Das Saysche Gesetz gilt hier! Wir werden jetzt anhand eines einfachen  Beispiels zeigen, dass es bei den Produzenten der Produktionsgüter anders ist.  Die Preissenkung bei ihnen kann einen realen Nachfragemangel verursachen. Das  Saysche Gesetz gilt hier nicht!
  Das  obige Bild rechts ist für uns jetzt sogar ein bisschen zu kompliziert. Wir  reduzieren es auf nur 3 Unternehmen, wie in dem Bild unten links. Wir können  auch sagen, wir haben in diesem Bild die ganze Wirtschaft mit vielen  Unternehmen in 3 Sektoren eingeteilt. Für die weitere Analyse ist es gut nicht  außer Acht zu lassen, dass nur Sektor 3 Konsumgüter herstellt. Jetzt  „vergrößern“ wir dieses Bild und bestücken es mit Zahlen. 
    
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                  | Nettoeinkommen: |  
                  | Sektor 1: | 1000 |  
                  | Sektor 2: | 1000 |  
                  | Sektor 3: | 2000 |  
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                  |  | 4000 |  |  
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                  | Konsumproduktion: |  
                  | Sektor 1: | 0 |  
                  | Sektor 2: | 0 |  
                  | Sektor 3: | 4000 |  
                  |  |  |  
                  |  | 4000 |  |  |  | 
    
   Um  die Vorgänge leichter nachvollziehen zu können, also um unnötige Details nicht  mitdenken zu müssen, ist es hilfreich anzunehmen, dass die Sektoren das ganze  Jahr durch nur produzieren und liefern, am Ende des Jahres setzen sie sich  gemütlich zusammen und rechnen alles ab. Mit den obigen Zahlen wird sich dann  jedes Jahr ein Gleichgewicht ergeben. Wir nehmen jetzt an, der Sektor 1 erklärt  am 31. Dezember, dass er seine Preise um 20 % senkt. Wenn der (nominale) Wert seiner  gesamten Produktion davor 3.500 betrug, fällt er jetzt auf 3.430. War sein  (Netto-)Einkommen früher 1.000, beträgt es jetzt nur noch 930. Dadurch hat sich in  der Wirtschaft real nichts geändert:  Sektoren 2 und 3 haben bereits, wie  auch in vorigen Jahren üblich, 4/7 bzw. 3/7 seiner Produktion erhalten, diesmal aber um 20 % billiger. Wie reagieren diese  Sektoren darauf? 
  Sektor 2 könnte seine Preise auch senken - um  konkurrenzfähiger zu sein. Das wäre in der Praxis der übliche Fall. Dann könnte  sich Sektor 1 noch einmal überlegen, die Preise weiter zu senken usw. Man kann  hier richtig vermuten, das sei ein Dominoeffekt, der eine  Krise auslösen könnte, wir wollen jetzt aber noch keine Krise haben. Zuerst  soll der Nachfragemangel prinzipiell erklärt werden – und das auch noch so einfach wie  möglich. Deshalb lassen wir die Preise des Sektors 2 unverändert. Seine  Einkünfte, also auch sein Profit, sind dadurch folgerichtig um 30 gestiegen. Er  gibt seinen Extra-Profit für Konsum aus. Indem sich damit die Nachfrage nach  Konsumgütern erhöht hat (30), wurde die von Sektor 1 verursachte  Nachfragesenkung (70) teilweise kompensiert. Was aber mit dem Sektor 3  geschehen ist, ist höchst interessant. Er kann auf einmal das, was er bereits  produziert hat, nicht mehr absetzen. Auf dem Markt der Konsumgüter reichen die  realen Einkünfte nicht mehr aus, das ganze Angebot nachzufragen. Der Wert des  Nachfragemangels (gap) beträgt 40. Das nächste Bild verdeutlicht das.
  
    
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                  | Nettoeinkommen: |  
                  | Sektor 1: | 930 |  
                  | Sektor 2: | 1030 |  
                  | Sektor 3: | 2000 |  
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                  |  | 3960 |  |  
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                  | Konsumproduktion: |  
                  | Sektor 1: | 0 |  
                  | Sektor 2: | 0 |  
                  | Sektor 3: | 4000 |  
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                  |  | 4000 |  |  |  | 
    
  Die  neoliberalen Dogmatiker sagen dazu: Sektor 3 würde dann seine Priese senken und  das Gleichgewicht stellt sich dann automatisch ein. Wie durch eine unsichtbare  Hand! Was geschieht aber wirklich, wenn der Sektor 3 den Preis seines Angebots  (4.000) um 40 heruntersetzt? Nichts anderes als wir schon oben für das  Unternehmen A festgestellt haben: Das Einkommen des Sektors 3 wird dadurch um  40 kleiner, mit dem Ergebnis: Am gap hat sich gar nichts geändert. Vielleicht  kann diesen Effekt das folgende Bild zusätzlich veranschaulichen: 
 
     
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  Wenn  Sektor 3 seine Güter, die der innere Markt nicht nachfragen kann (40), z. B.  exportieren könnte, würde sich das Gleichgewicht in der Wirtschaft wieder  einstellen. Das ist die „schlaue“ Lösung, der sich die deutsche Wirtschaft seit  Beginn des Lohndumpings nach der Agenda 2010 erfolgreich bedient und seitdem  genauso erfolgreich die EU-Wirtschaft ruiniert, nach dem bekanntem  Sankt-Florian-Prinzip: Beggar-my-neighbour! Nebenbei bemerkt, das ist das wahre  Wesen der „sozialen Marktwirtschaft“, das sichtbar wird, nachdem die Maske  gefallen ist. Vergesst die „soziale Marktwirtschaft“! Man muss die  Marktwirtschaft neu denken, indem man sie auf bessere analytische Grundlagen  stellt. Wir brauchen also dringend einen Paradigmenwechsel. Das nennt sich  seriöse Wissenschaft, alles andere ist Utopie oder Ideologie.